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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Leiter, damit er auf den Dachboden steigen und das verdammte Ding herausholen konnte. Bei den Costellos und den Blunts verhielt es sich genauso, und es ergab keinen rechten Sinn: Die Kameras waren nicht dort, wo Caffery sie erwartet hatte. Er hatte angenommen, Moon habe es darauf abgesehen, die Mädchen beim Ausziehen zu beobachten, und die Kameras deshalb in ihren Schlaf- und Badezimmern angebracht. Aber von Martha Bradleys Zimmer mal abgesehen, war in keinem Zimmer der Mädchen eine versteckte Kamera gewesen. Stattdessen hatte man sie in den Küchen, den Wohnzimmern und – was das Merkwürdigste war – in den Elternschlafzimmern entdeckt. Wie hier.
    »Damien, danke für Ihr Entgegenkommen. Jemand wird sich demnächst bei Ihnen melden und einen Entschädigungsantrag vorbeibringen. Wegen des … Sie wissen schon, wegen des Durcheinanders.« Er schob das Twix in den Mund, rieb sich die Hände, ging kauend hinaus auf den Treppenabsatz, an Q vorbei und die Treppe hinab. Unten warf er noch einen Blick auf Alyshas Fotos. Drei Bilder, dreimal andere Kleidung, aber immer die gleiche Pose. Hände unter dem Kinn. Zähne entblößt. Ein kleines Mädchen, das sich bemühte, für die Kamera zu lächeln. Er hatte die Haustür halb geöffnet, als etwas an diesen Fotos ihn innehalten ließ. Er blieb davor stehen und studierte sie eingehend.
    Alysha. Keinerlei Ähnlichkeit mit Martha. Oder mit Emily. Alysha war schwarz. Er erinnerte sich an etwas, das die Literatur über Pädophile sagte: Sie bevorzugten bestimmte Typen, Haut- und Haarfarben, Altersklassen. Das zeigte sich immer wieder. Wenn Moon sich die Mühe machte, diese Mädchen auszusuchen, warum hatten sie dann nicht mehr Ähnlichkeit miteinander? Warum waren sie nicht alle blond und elf Jahre alt? Oder alle brünett und vier? Schwarz und sechs?
    Caffery fuhr mit der Zunge im Mund herum und versuchte, die Schokolade von den Zähnen zu entfernen. Er dachte an Marthas Zahn in der Apfeltorte und dann an die Briefe. Warum hast du diese Briefe geschrieben, Ted? Aus heiterem Himmel fiel ihm ein, was Cleo erzählt hatte: dass der Entführer nach dem Beruf ihrer Eltern gefragt habe. Und dann war ihm plötzlich alles klar. Er schloss die Haustür, blieb mit zittrigen Knien in der Diele stehen und legte eine Hand an die Wand. Er verstand, warum sich so lange alles ganz falsch angefühlt hatte. Und er wusste, weshalb der Entführer Cleo diese Frage gestellt hatte: Er wollte sich vergewissern, dass er das richtige Kind hatte.
    Er schaute zu Damien hinauf, der am Fuß der Treppe stand, einen Zigarillo aus einer flachen Blechdose nahm und anzündete. Er wartete, bis der Zigarillo brannte, und lächelte den Mann verlegen an. »Sie haben wohl nicht zufällig eins von den Dingern übrig?«
    »Doch, sicher. Alles okay?«
    »Ja, wenn ich geraucht habe.«
    Damien klappte die Dose auf und hielt sie ihm hin. Caffery nahm einen Zigarillo, zündete ihn an, atmete den Rauch ein und wartete, dass sein Pulsschlag sich beruhigte.
    »Ich dachte, Sie wären schon weg. Haben Sie es sich anders überlegt? Wollen Sie hierbleiben?«
    Caffery nahm den Zigarillo aus dem Mund und blies genüsslich den Rauch in die Luft. Er nickte. »Yep. Machen Sie uns einen Tee? Ich glaube, ich bleibe noch ein bisschen hier.«
    »Wieso?«
    »Ich muss mich ernsthaft mit Ihnen unterhalten. Über Ihr Leben.«
    »Über mein Leben?«
    »Ganz recht. Über Ihr Leben.« Er sah Damien an und spürte die Befriedigung, als alles sich ineinanderfügte. »Weil wir uns geirrt haben. Er hatte es nie auf Alysha abgesehen. Es interessiert ihn nicht, was mit ihr passiert. Hat ihn nie interessiert.«
    »Was denn dann? Was interessiert ihn?«
    »Sie, mein Freund. Er interessiert sich für Sie . Er will die Eltern.«

62
    J anice Costello saß an dem großen Holztisch in der geräumigen Küche im hinteren Teil des Hauses ihrer Schwester. Sie hatte fast den ganzen Nachmittag hier verbracht, seit Nick sie aus der Kälte des Gartens hereingeholt hatte. Man hatte ihr Tee gekocht und Essen angeboten, und von irgendwoher war eine Flasche Brandy aufgetaucht. Sie wollte nichts davon haben. Ihr kam alles so unwirklich vor, als gäbe es da eine unsichtbare Barriere in der Welt der Dinge, als dürften alltägliche Gegenstände wie Teller und Löffel nur von Leuten benutzt werden, die glücklich waren, nicht von solchen, die sich fühlten wie sie. Der Tag hatte sich dahingeschleppt. Gegen vier war Cory aus dem Nichts aufgetaucht, hereingekommen und in der

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