Verderbnis
konzentrieren. »Bei Ihnen zu Hause? Keine Einbrüche?«
»Wie bitte?«
»Ich habe gesagt, in Ihr Haus ist nie eingebrochen worden, oder?«
»Nein.« Sie starrte das Notizbuch an. »Warum?«
»Sie haben eine Alarmanlage, nicht wahr?«
»Ja.«
»Und die war eingeschaltet, als Sie an dem Tag zu Ihrer Mutter fuhren?«
»Sie ist permanent eingeschaltet. Warum?«
Ihr Blick war immer noch auf das Buch gerichtet. Plötzlich begriff er, warum, und sofort kam er sich vor wie ein Volltrottel. Mit dem Buch wirkte er unerfahren, wie ein Berufsanfänger. Er klappte es zu und steckte es ein. »Ihre Schwester sagt, Sie hätten am Haus einiges richten lassen, und bis dahin hätten Sie keine Alarmanlage gehabt.«
»Das war vor Monaten.«
»Sie haben einen großen Teil der Zeit hier bei Ihrer Schwester verbracht, richtig? Als in Ihrem Haus gearbeitet wurde? Da war es leer?«
»Ja.« Janice starrte jetzt auf die Tasche, in der das Notizbuch verschwunden war. »Aber was hat das mit alldem zu tun?«
»Detective Prody hat Ihnen ein Foto von Ted Moon gezeigt, ja?«
»Ich kannte ihn nicht. Cory auch nicht.«
»Sind Sie sicher, dass er nicht einer von den Leuten war, die ins Haus gekommen sind? Um zu arbeiten?«
»Ich hab sie nicht alle gesehen. Da sind Leute ein- und ausgegangen – Subunternehmer, was weiß ich. Wir haben eine Baufirma rausgeworfen und eine andere beauftragt. Ich weiß nicht mehr, wie viele Gesichter ich da gesehen und wie viele Tassen Tee ich gemacht habe. Aber ich bin sicher – fast sicher –, dass ich ihn nie gesehen habe.«
»Wenn Cory auftaucht, hätte ich gern alle Details über diese Arbeiter, wenn das möglich ist. Und den Namen der Baufirma, die Sie gefeuert haben. Ich möchte so bald wie möglich mit allen reden. Haben Sie das alles in einer Akte zu Hause? Alle Einzelheiten? Oder können Sie sich daran erinnern?«
Ein paar Augenblicke saß sie mit halb offenem Mund da und starrte Caffery an. Dann ließ sie alle Luft aus der Lunge entweichen, senkte den Kopf und schlug sich mit den Fingerknöcheln an die Stirn. Eins-zwei-drei. Eins-zwei-drei. Eins-zwei-drei. So fest, dass die Haut rot wurde. Als wollte sie sich ein paar Gedanken aus dem Kopf prügeln. Wenn es noch lange so weitergegangen wäre, hätte er ihre Hand festgehalten. Aber genauso unvermittelt, wie das Klopfen begonnen hatte, hörte es auch wieder auf. Sie fasste sich – jetzt waren ihre Augen geschlossen und die Hände ruhig im Schoß gefaltet. »Ich weiß, was Sie mir sagen wollen. Nämlich, dass er Emily beobachtet hat.« Sie hielt weiter die Augen geschlossen und redete schnell, so als müsste sie sich darauf konzentrieren, jedes Wort auszusprechen, bevor sie es vergessen hätte. »Dass er sie … verfolgt hat? Dass er in unserem Haus war?«
»Wir haben heute im Haus der Bradleys ein paar Kameras entdeckt. Deshalb sind wir noch einmal in Mere gewesen, um uns Ihr Haus anzusehen. Und haben das Gleiche gefunden.«
» Kameras ?«
»Es tut mir leid. Ted Moon hat ohne Ihr Wissen Überwachungskameras in Ihrem Haus installieren können.«
»In meinem Haus waren keine Kameras .«
»Doch. Sie hätten sie niemals gefunden, aber sie waren da. Sie müssen, lange bevor all das anfing, dort angebracht worden sein, denn es gab keine Spuren eines Einbruchs, seit Sie das Haus verlassen haben.«
»Sie meinen, er hat sie installiert, als wir hier bei meiner Schwester waren?«
»Wahrscheinlich.«
»Dann hat er sie beobachtet ? Er hat Emily beobachtet?«
»Wahrscheinlich.«
»O Gott. O mein Gott.« Sie schlug die Hände vors Gesicht. »Das halte ich nicht aus. Ich halte es nicht aus. Ich kann’s einfach nicht.«
Caffery wandte sich ab und blieb sitzen; er tat, als konzentrierte er sich auf den Horizont. Noch immer dachte er an all die Mutmaßungen, denen er nachgegangen war, die Möglichkeiten, die er ignoriert hatte. Wie dumm er gewesen war, dass er das alles nicht gesehen hatte. Als Moon noch einmal zurückgekommen war, um Emily zu holen, hätte er wissen müssen, dass er sie schon lange vor der Tat ausgewählt hatte. Dass sie kein Zufallsopfer gewesen war. Aber vor allem dachte er, dass er – wie so oft – froh darüber war, allein zu sein, kinderlos und ohne Liebe. Es stimmte, was man so sagte: Je mehr du hast, desto mehr kannst du verlieren.
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F lea war nicht hungrig, aber sie brauchte Kalorien. Sie saß mit den Füßen im Modder auf dem Längssims im Bootsrumpf und kaute appetitlos auf dem Sandwich herum, das Prody ihr
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