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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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andere. Seine Frau hilft uns jetzt. Wir werden sie finden.«
    Langsam hob Rose den Kopf. Ihr Gesicht war rot und voller Rotz.
    »Wirklich, Rose, ich versprech’s Ihnen. Wir werden sie finden. Seine Frau ist ein guter Mensch, und sie wird uns helfen.«
    Rose rieb sich die Nase. »Glauben Sie?«, wisperte sie mit dünner Stimme. »Glauben Sie wirklich?«
    Janice holte tief Luft und schaute zurück über die Lichtung. Der Wagen der Rechtsmedizin fuhr eben ab, der Einsatzleiter war auf dem Weg zu den parkenden Autos, und das letzte Team schlug die Türen seines Vans zu. Etwas versuchte, ihre innere Ruhe zu durchdringen, hart, bitter und verzweifelt, wollte sich herauskämpfen aus einer Leere, die nie mehr ausgefüllt werden würde. Aber sie schluckte es hinunter und nickte. »Ja. Das glaube ich. Jetzt stehen Sie auf. So ist es gut. Stehen Sie auf, und lassen Sie uns aufbrechen.«

81
    F lea hatte keine Ahnung, was sie ihr da in die Infusion getan hatten, aber sie wusste, sie würde ein halbes Jahresgehalt für einen zweiten Schuss geben. Das versuchte sie dem Sanitäter zu sagen, als der ihre Trage im Hubschrauber in die Halterung schob; sie wollte es ihm zuschreien, als der Rotor anlief. Vielleicht hatte er das alles schon mal gehört, und vielleicht verstand er auch immer noch nicht, was sie sagte, denn er lächelte nur, nickte und signalisierte ihr mit den Händen, sie solle sich jetzt still verhalten. Also gab sie ihre Versuche auf. Sie lag da und beobachtete, wie die Netzbespannung unter dem Dach des Hubschraubers vibrierte und verschwamm. Sie roch die frische blaue Luft, die durch die Luke hereinwehte. Roch Flugzeugbenzin und Sonnenlicht.
    Ihre Augen schlossen sich, und sie versank wieder in diesem Traum, ließ sich von ihm umfangen wie von einem Paar weißer Flügel. Sie war nur noch ein Punkt am Firmament. Ein Löwenzahnsamen, der seine Pirouetten drehte. Der Himmel über ihr war wolkenlos, und unter ihr erstreckte sich das Land wie ein bunter Flickenteppich. Nirgends lag ein Schatten. Überall nur Grün- und Brauntöne. Sie erkannte einen Wald. Dicht und üppig. Kleine Lichtungen, auf denen Rehe ästen. Sie sah Leute da unten. Einige picknickten, andere standen in Gruppen herum. Zwischen den rissigen, grünlichen Stämmen der Eschen, die einen Weg säumten, entdeckte sie drei Frauen, die auf einen Parkplatz zugingen: Die eine trug eine Regenjacke, die andere ein pinkfarbenes Halstuch, und die dritte hatte eine grüne Wolljacke an. Die Frau in der grünen Jacke war barfuß und hatte der mit dem Halstuch einen Arm um die Schultern gelegt. Die beiden hielten die Köpfe so tief gesenkt, dass es aussah, als könnten sie jeden Moment umfallen.
    Flea drehte sich weg. Sie segelte über den Baumwipfeln dahin und sah die Mündung des Luftschachts. Rußflocken schwebten sanft darüber. Von ihrer hohen Warte aus konnte sie ganz hinunter in den Tunnel blicken. Sie hörte Geräusche, ein weinendes Kind. Und es fiel ihr wieder ein. Marthas Leiche. In der Grube. Sie war noch da. Man musste etwas tun.
    Sie hob den Kopf. Schaute sich um – sah Polizeiautos und andere Fahrzeuge, die das Gelände verließen. Sah die Straßen, die sich viele Meilen weit in die Ferne erstreckten wie ein ausgebleichtes gelbes Spinnennetz, das sich über das winterliche Land spannte. Auf der kleinen Landstraße, die sich zur großen Autobahn im Süden schlängelte, blitzte fahles Sonnenlicht auf dem Dach eines Autos. Das Auto wirkte klein wie ein Spielzeug. Sie fasste es ins Auge und drehte den Kopf, um es festzuhalten, und wartete darauf, dass die elementare Kraft kam und sie packte. Und sie kam und packte sie bei den Schultern und trieb sie durch Luft und Wolken. Felder und Bäume zogen unter ihr dahin, und sie sah die Straße, näherte sich ihr immer mehr, bis sie ihre Struktur erkennen konnte, ihre körnige Oberfläche. Vor sich erblickte sie das Dach des Autos, und der Wind war sichtbar wie Quecksilber, strömte wellenförmig über das Wagendach. Es war ein schlichter silberfarbener Mondeo, wie Spezialeinheiten ihn benutzten. Sie wurde langsamer und sank herab, schwebte neben dem Beifahrerfenster und legte eine Hand auf den Außenspiegel.
    Im Wagen saßen zwei Männer in Anzügen. Den am Steuer kannte sie flüchtig, aber der andere, der mit abwesendem Blick auf dem Beifahrersitz saß, ließ sie aufmerksam werden. Jack. Jack Caffery. Der einzige Mann auf der Welt, der ihr Herz mit einem bloßen Blick explodieren lassen konnte.
    »Jack?« Sie

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