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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Chef«, sagte Caffery.
    »Das meine ich doch. Little Chef.«
    Simone runzelte die Stirn. »Aber hier in der Gegend gibt es kein ›Little Chef‹-Restaurant.«
    »Doch«, widersprach die CAPIT -Frau. »In Farrington Gurney.«
    Caffery ging zum Schreibtisch und nahm die Karte zur Hand. Shepton Mallet. Farrington Gurney. Im Herzen der Mendip Hills. Von Bruton nach Shepton Mallet war es nicht sehr weit, aber Cleo hatte sich vierzig Minuten im Auto befunden. Der Carjacker war mit ihr im Zickzack durch die Gegend gefahren. Nach Norden und dann in einer Spitzkehre zurück nach Südwesten. Und dabei hatte er die Straße passiert, die nach Midsomer Norton führte. Das war der Ort, den die Geschäftsführerin des Ladens erwähnt hatte. Auch wenn sie sonst über keine Spur von dem Carjacker verfügten, so konnten sie jetzt wenigstens eine Stecknadel in die Landkarte zwischen Midsomer Norton und Radstock spießen und sich auf diese Gegend konzentrieren.
    »Da machen sie Waffeln.« Die Frau lächelte Cleo an. »Ich gehe manchmal zum Frühstück hin.«
    Caffery konnte nicht mehr stillhalten. Er schob die Karte zur Seite und setzte sich an den Schreibtisch. »Cleo, in der ganzen Zeit, in der du mit dem ›Hausmeister‹ zusammen warst – hat er da je mit dir gesprochen? Hat er etwas gesagt?«
    »Ja. Er hat andauernd nach meiner Mum und meinem Dad gefragt. Wollte wissen, was sie machen.«
    »Und was hast du gesagt?«
    »Die Wahrheit. Mum ist Finanzanalystin, und sie verdient das ganze Geld. Und Dad, na ja, der hilft Kindern, wenn ihre Mums und Dads sich trennen.«
    »Und du bist sicher, dass er sonst nichts gesagt hat? Nichts, woran du dich erinnern kannst?«
    »Ich nehm’s an«, sagte sie gleichgültig. »Ich glaube, er hat noch gesagt: ›Es wird nicht funktionieren.‹«
    »Es wird nicht funktionieren?« Caffery starrte sie an. »Wann hat er das gesagt?«
    »Bevor er anhielt. Er sagte: ›Es wird nicht funktionieren. Steig aus.‹ Ich bin ausgestiegen und am Straßenrand stehen geblieben. Ich dachte, er gibt mir meine Tasche mit meinem T-Shirt, aber das hat er nicht getan. Mum musste mir ein neues kaufen, weil wir unser Auto nie zurückgekriegt haben, stimmt’s, Mum? Das T-Shirt haben wir im Schulshop gekauft. Da sind meine Initialen drauf, und es hat …«
    Caffery hörte nicht mehr zu. Er starrte in die Luft und dachte an die Worte: Es wird nicht funktionieren . Das bedeutete, etwas war schiefgegangen. Er hatte Angst bekommen.
    Aber wenn das für Cleo galt, musste es nicht für Martha gelten. Diesmal war es anders. Diesmal hatte der Entführer den Mut nicht verloren. Diesmal funktionierte es.

9
    G egen drei war die Wolkendecke hier und da aufgerissen, und die Strahlen der tief stehenden Sonne leuchteten schräg über die Felder in dieser nördlichen Ecke von Somerset. Bei ihrem Nachmitttagslauf trug Flea die Jacke mit den Reflexstreifen. »Floh« – diesen blöden Spitznamen hatte sie schon als Kind erhalten, weil die Leute meinten, sie schaue nie hin, bevor sie springe. Und wegen ihrer unerschöpflichen Energie. In Wirklichkeit hieß sie Phoebe. Im Lauf der Jahre hatte sie versucht, den »Flea«-Teil aus ihrem Charakter zu tilgen, aber es gab immer noch Tage, an denen sie das Gefühl hatte, ihre Energie könne ein Loch in den Boden brennen, auf dem sie stand. Aber sie kannte einen Trick, mit dem sie sich an solchen Tagen beruhigte: Sie lief.
    Sie benutzte die kleinen Landstraßen, die sich durch die Landschaft in der Umgebung ihres Hauses schlängelten. Sie rannte, bis der Schweiß in Strömen an ihr herunterlief und sie Blasen an den Füßen bekam. Vorbei an Zauntritten und vor sich hin dösenden Kühen, an Feldsteincottages und Landhäusern und den uniformierten Männern, die aus dem Militärstützpunkt in der Nähe strömten. Manchmal lief sie bis spät in den Abend hinein, bis sie alle ihre Gedanken losgeworden und in ihrem Kopf nichts mehr übrig war, als der Wunsch zu schlafen.
    Sich körperlich in Form zu halten, war eine Sache, diese Fitness und Selbstbeherrschung bis in ihr tiefstes Inneres aufrechtzuerhalten, war eine andere. Als sie in die letzte Etappe ihrer Laufstrecke einbog, sah sie vor ihrem geistigen Auge, wie der Yaris der Bradleys mit quietschenden Reifen aus dem Parkhaus in Frome raste. Immer wieder dachte sie an Martha Bradley auf dem Rücksitz. Flea hatte sich von einem Freund auf dem Revier in Frome Roses Aussage vorlesen lassen. Martha, hieß es darin, habe sich vom Rücksitz über die Lehne

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