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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Mädchen.«
    »Das wissen wir nicht. Vielleicht. Deshalb müssen wir dich bitten, uns noch einmal zu helfen. Wenn es dir zu viel wird, sag’s mir, und ich höre auf.«
    Der Finger der Polizistin lag auf der Liste der von Caffery vorbereiteten Fragen. Er hatte ihr gesagt, was er haben wollte, und sie wusste, dass es schnell gehen musste. »Du hast der Polizistin vor mir gesagt, dass der Mann dich an jemanden erinnert hat. An jemanden aus einer Geschichte?«
    »Ich hab sein Gesicht nicht gesehen. Er hatte eine Maske auf.«
    »Aber du hast uns etwas über seine Stimme erzählt. Sie klang ein bisschen wie …?«
    »Ach, jetzt weiß ich, was Sie meinen.« Halb verdrehte Cleo die Augen, halb lächelte sie. Sie war verlegen über die Worte, die vor nur sechs Monaten aus ihrem neunjährigen Mund gekommen waren. »Ich hab gesagt, er hörte sich an wie Argus Filch aus Harry Potter . Der, der Mrs. Norris hat. So hörte er sich an.«
    »Wollen wir ihn dann den Filch-Mann nennen?«
    Cleo zuckte die Achseln. »Wenn Sie wollen. Aber er war schlimmer als Argus Filch. Ich meine, viel schlimmer.«
    »Okay. Wie wär’s dann, wenn wir ihn – was weiß ich – den Hausmeister nennen? Argus Filch ist der Hausmeister in Hogwarts, oder?« Caffery stieß sich von der Wand ab, lief zur Tür und machte wieder kehrt. Er wusste, dass die CAPIT -Kollegin ein Protokoll einzuhalten hatte, aber er wünschte doch, sie würde ein bisschen Gas geben. Am Fenster drehte er sich um und ging wieder quer durch den Raum. Die CAPIT -Frau hob den Kopf und musterte ihn kühl. Dann wandte sie sich wieder Cleo zu. »Ja, ich glaube, so machen wir’s. Wir nennen ihn ›den Hausmeister‹.«
    »Okay. Von mir aus.«
    »Cleo, ich möchte, dass du jetzt etwas für mich tust. Stell dir vor, du wärst wieder in dem Auto an diesem Morgen. An dem Morgen, als der ›Hausmeister‹ zu dir in den Wagen kam. Jetzt stell dir vor, es ist noch nicht passiert. Okay? Du bist mit deiner Mum auf dem Weg zur Schule. Kannst du dir das vorstellen?«
    »Okay.« Cleo schloss die Augen halb.
    »Wie geht es dir dabei?«
    »Gut. In der ersten Stunde habe ich Turnen – das war immer mein Lieblingsfach –, und ich werde mein neues Sport-T-Shirt anziehen.«
    Caffery beobachtete das Gesicht der CAPIT -Kollegin. Er wusste, was sie da tat. Das kognitive Interview war eine Vernehmungstechnik, die bei der Polizei jetzt häufig zum Einsatz kam. Der Befragende führte den Befragten zurück zu seinem Befinden zum Zeitpunkt des Geschehens. Das sollte dazu dienen, Blockaden zu lösen, damit die Fakten fließen konnten.
    »Schön«, fuhr sie fort. »Das heißt, du trägst dein T-Shirt jetzt noch nicht?«
    »Nein. Ich trage mein Sommerkleid. Mit einer Strickjacke darüber. Mein T-Shirt war im Kofferraum. Wir haben’s nie zurückbekommen. Nicht wahr, Mum?«
    »Nein, nie.«
    »Cleo, jetzt wird es schwierig – aber stell dir vor, dass jetzt der ›Hausmeister‹ fährt.«
    Cleo holte Luft. Sie kniff die Augen zusammen, ihre Hände hoben sich zur Brust und schwebten dort.
    »Gut. Jetzt erinnere dich an seine Jeans. Deine Mum sagt, du erinnerst dich besonders gut an seine Jeans – mit den Schlaufen. Als er den Wagen fuhr, konntest du die Jeans da sehen?«
    »Nicht ganz. Er hat ja gesessen.«
    »Er hat vor dir gesessen. Wo dein Dad normalerweise sitzt?«
    »Ja. Wenn Dad da sitzt, kann ich seine Beine nicht ganz sehen.«
    »Und seine Hände? Konntest du die sehen?«
    »Ja.«
    »Und woran erinnerst du dich bei seinen Händen?«
    »Er hatte diese komischen Handschuhe an.«
    » Solche komischen Handschuhe« …«, korrigierte Simone.
    »Solche komischen Handschuhe. Wie beim Zahnarzt.«
    Die Polizistin warf Caffery einen Blick zu. Er ging immer noch auf und ab und dachte an Handschuhe. Die Spurensicherung hatte im Yaris der Blunts keine DNA -Spuren gefunden. Und in den Aufnahmen der Überwachungskamera an der Ausfahrtschranke hatte der Mann Handschuhe getragen. Forensisches Tarnverhalten also. Großartig, verdammt.
    »Sonst noch was? Waren sie groß? Klein?«
    »Mittel. Wie Dads.«
    »Und jetzt kommt etwas ganz Wichtiges«, sagte die Polizistin langsam. »Kannst du dich erinnern, wo seine Hände waren?«
    »Am Lenkrad.«
    »Immer am Lenkrad?«
    »Ja.«
    »Er hat es nie losgelassen?«
    »Hmmm …« Cleo öffnete die Augen. »Nein. Erst als er anhielt und mich aussteigen ließ.«
    »Hat er sich über dich hinweggelehnt und die Tür von innen aufgemacht?«
    »Nein. Er hat es versucht, aber Mum hatte die

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