Verderbnis
denn es beruhigte sie, sich wie ein Baby zu verhalten. Sie starrten auf das Cartoonlicht, das durch Nemos Wasser flirrte. Unten tigerte Cory von einem Zimmer ins andere, öffnete und schloss die Vorhänge, rastlos wie ein Tier im Käfig. Janice wollte ihn nicht sehen; sie würde es nicht ertragen, dachte sie, denn im Lauf dieses Jahres – nein, eigentlich schon viel früher – hatte sie begriffen, dass sie ihren Mann niemals so sehr lieben würde, lieben könnte wie ihre Tochter. Sie hatte Freundinnen, denen es im Grunde genauso ging wie ihr: Sie liebten ihren Mann, aber die Kinder hatten Vorrang. Vielleicht war dies das große Geheimnis der Frauen, von dem Männer etwas ahnten, dem sie sich aber niemals wirklich stellen würden. Irgendwo unter all den Expertenkommentaren über die kleine Martha Bradley, die sie in der Zeitung gelesen hatte, war ihr einer besonders im Gedächtnis geblieben: Irgendein Fachmann hatte behauptet, wenn eine Familie ein Kind verliere, sei die Chance, dass das Ehepaar danach zusammenbleibe, fast gleich null. Auf einer instinktiven Ebene wusste sie, dass es die Frau sein würde, die den Mann verließ. Es kam nicht darauf an, ob sie es tatsächlich tat oder nur in ihrem Herzen, sodass der Mann irgendwann aufgab und die Ehe beendete.
Emily war neben ihr eingeschlafen. Sie hielt Jasper im Arm, und der Becher stand auf ihrer Brust; ein paar Tropfen Schokolade waren auf ihr Nachthemd gefallen. Sie hatte sich nicht die Zähne geputzt. Das war jetzt schon das zweite Mal. Aber Janice wollte sie nicht mehr wecken – nicht nach dem, was sie durchgemacht hatte. Janice deckte sie zu, lief hinunter in die Küche und stellte den Kinderbecher in die Spülmaschine. Ihr Glas war nicht mehr da; sie nahm ein neues aus dem Schrank, goss Wodka hinein und ging damit ins Musikzimmer. Der Raum lag im Dunkeln, und es dauerte einen Moment, bis sie begriff, dass Cory da war. Etwas Kaltes zog durch ihre Brust. Er stand unter dem Vorhang. Als hätte er sich einen Mantel übergeworfen.
»Was machst du da?«
Er schrak zusammen. Der Vorhang bewegte sich, und sein erschrockenes Gesicht erschien. »Janice, schleich dich nicht so an.«
»Was ist denn los?« Sie schaltete das Licht ein. Hastig ließ er den Vorhang fallen. Ihr blieb gerade noch Zeit, die zwei beschlagenen Stellen an der Scheibe zu sehen, wo er sein Gesicht dagegengedrückt hatte.
»Mach das Licht aus.«
Sie zögerte, aber dann gehorchte sie. Das Zimmer versank wieder in Dunkelheit. »Cory?«, sagte sie, »du benimmst dich seltsam. Was suchst du denn da draußen?«
»Nichts.« Er entfernte sich vom Fenster und sah sie mit einem falschen Lächeln an. »Absolut nichts. Ist ein schöner Abend.«
Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Was hat der Polizist noch zu dir gesagt, als er vor dem Haus mit dir sprach, bevor er ging.«
»Wir haben nur geplaudert.«
»Cory. Sag’s mir.« Sie konnte den Blick nicht von dem Vorhang wenden. »Was hat er zu dir gesagt? Und wonach hast du da draußen gesucht?«
»Fang jetzt nicht an zu quengeln, Janice, bitte. Du weißt, das kann ich nicht ausstehen.«
»Bitte.« Sie verkniff sich eine scharfe Erwiderung, legte eine Hand auf seinen Ärmel und zwang sich zu einem zärtlichen Lächeln. »Sag’s mir doch bitte einfach.«
»Herr im Himmel, du musst wirklich alles wissen, stimmt’s? Wieso kannst du mir nicht ausnahmsweise mal vertrauen? Es ging um die Presse. Caffery will nicht, dass sie uns aufstöbert.«
Janice runzelte die Stirn. »Die Presse?« Es war sonst nicht Corys Art, solcher Aufmerksamkeit aus dem Weg zu gehen. Und er hatte tatsächlich Angst vor dem, was da draußen im Dunkeln lauerte. Sie ging zum Vorhang, zog ihn auf und spähte die lange Einfahrt entlang bis zur Straßenlaterne, die gelb durch die Eiben schimmerte. Doch es war nichts zu sehen. »Da steckt doch mehr dahinter. Wieso interessiert es ihn, ob die Presse uns findet?«
»Weil«, sagte Cory in übertrieben geduldigem Ton, »der Kerl herausgefunden hat, wo die Bradleys wohnen, und irgendetwas Blödes mit ihnen gemacht hat. Caffery will nicht, dass uns das Gleiche passiert. Bist du jetzt zufrieden?«
Sie wich einen Schritt vom Fenster zurück und starrte ihn an.
»Er hat etwas Blödes mit den Bradleys gemacht? Was denn?«
»Ich weiß es nicht. Er hat Kontakt mit ihnen aufgenommen oder so was.«
»Und jetzt glaubt Caffery, er könnte das Gleiche bei uns tun? Irgendetwas ›Blödes‹ mit uns machen? Herrgott, Cory, vielen Dank,
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