Verderbnis
dass du mir das sagst.«
»Jetzt mach keine große Sache daraus.«
»Ich mache keine große Sache daraus. Aber ich bleibe nicht hier.«
»Was?«
»Ich gehe.«
»Janice, warte.«
Aber sie war schon draußen und hatte die Tür hinter sich zugeschlagen. Sie kippte den Wodka in der Küche weg und rannte die Treppe hinauf. Nach weniger als zehn Minuten hatte sie Emilys Sachen zusammengepackt – ihre Lieblingsspielsachen, Pyjamas, Zahnbürste, Schulzeug. Zweimal Garderobe zum Wechseln für sich selbst und ein paar Schlaftabletten – sie hatte das Gefühl, welche zu benötigen. Sie befand sich in der Küche und steckte zwei Flaschen Wein in ihren Rucksack, als Cory in der Tür erschien.
»Was soll das bedeuten?«
»Ich fahre zu meiner Mutter.«
»Na, dann warte einen Moment und lass mich ein paar Sachen einpacken. Ich komme mit.«
Janice stellte den Rucksack auf den Boden und starrte ihren Mann an. Sie wünschte, es gäbe einen Weg zurück und sie könnte wieder etwas für ihn empfinden.
»Was ist? Sieh mich nicht so an.«
»Wirklich, Cory, ich kann dich nicht anders ansehen.«
»Verdammt, was willst du damit sagen?«
»Gar nichts.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber wenn du mitkommen willst, musst du den Koffer unter dem Bett herausholen. Im Rucksack ist kein Platz mehr.«
30
C affery erhielt einen Anruf von einem Polizisten in Gloucestershire. Der Walking Man war festgenommen worden, weil er bei einer pharmazeutischen Fabrik herumgelungert hatte. Er war auf dem Polizeirevier in dem alten Marktstädtchen Tetbury vernommen und dann verwarnt und wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Der diensthabende Inspector hatte ihn beiseitegenommen und ihm so höflich wie möglich zu verstehen gegeben, es sei vielleicht das Beste, wenn er sich nicht noch einmal in der Nähe der Fabrik blicken ließe. Aber Caffery kannte allmählich ein paar der Verhaltensweisen des Walking Man, und wenn der sich für etwas interessierte, dachte er, würde er sich durch so eine Kleinigkeit wie eine Festnahme nicht davon abbringen lassen.
Und er hatte recht. Als er um halb elf ankam, Myrtle auf dem Rücksitz schlafen ließ und ausstieg, entdeckte er den Walking Man beinahe sofort. Er hatte sein Lager ungefähr fünfzig Meter vor der Stacheldrahtumzäunung in einem Wäldchen aufgeschlagen, wo er das Fabrikgelände im Blick behalten konnte, ohne dass er vom Security-Posten aus zu sehen war.
»Sie sind heute nicht weit gegangen.« Caffery fand eine Schaumstoffmatte und rollte sie auseinander. Normalerweise hätte sie schon für ihn bereitgelegen, und es wäre auch etwas zu essen für ihn da gewesen. Der Essensgeruch hing zwar noch in der Luft, aber Töpfe und Teller standen schon wieder sauber und ordentlich neben dem Feuer. »Sie haben den Tag ja hier oben angefangen.«
Der Walking Man grunzte leise. Er ließ den Verschluss an seinem Ciderkrug aufschnappen, goss etwas in einen angeschlagenen Becher und stellte ihn neben seinen Schlafsack.
»Ich bin nicht hier, um Ihnen noch mehr Ärger zu machen«, erklärte Caffery. »Sie haben ja schon den größten Teil des Tages auf dem Revier verbracht.«
»Fünf verschwendete Stunden. Fünf Stunden gutes Tageslicht.«
»Ich bin nicht in Polizeiangelegenheiten hier.«
»Nicht wegen dieses Briefschreibers?«
»Nein.« Caffery rieb sich mit beiden Händen das Gesicht. Das war das Letzte, worüber er sprechen wollte. »Nein, ich bin hier, weil ich Abstand davon brauche.«
Der Walking Man füllte einen zweiten Becher mit Cider und reichte ihn Caffery. »Dann wollen Sie über sie reden. Über die Frau.«
Caffery nahm den Becher.
»Sehen Sie mich nicht so an, Jack Caffery. Ich habe Ihnen gesagt, dass ich Ihre Gedanken nicht lesen kann, habe mich jedoch gefragt, wann Sie wieder über sie sprechen werden. Die Frau, an die Sie dauernd denken. Als Sie im Frühling hier waren, konnten Sie über nichts anderes reden. Sie standen in Flammen ihretwegen.« Er warf ein Stück Holz ins Feuer. »Ich habe Sie darum beneidet. Ich werde so etwas nie wieder für eine Frau empfinden.«
Caffery biss ein Stück Nagelhaut an seinem Daumen ab und starrte ausdruckslos ins Feuer. »Flammen«, dachte er, war das falsche Wort für das verworrene Durcheinander aus halb vollendeten Gedanken und Impulsen in Bezug auf Flea Marley. »Okay«, meinte er nach einer Weile. »Ich will Ihnen verraten, wie die Geschichte anfängt. Es gibt einen Namen, den Sie manchmal in der Zeitung lesen. Misty Kitson. Ein hübsches Mädchen.
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