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Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Titel: Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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wendete sich nach links in eine schmale Gasse, die sich hinter einer kleinen Lampe im Dunkeln verlor. Der Schatten, der ihr vom Campanile gefolgt war, verharrte an der Ecke. Nur noch zwei, drei Minuten, dann war sie zu Hause. Vor dem Zubettgehen würde sie noch ein Bad nehmen. Sie liebte diese Entspannung in der Wanne bei leiser Musik und mit einem Glas Rotwein. Und hinterher kam sie sich wieder sauber vor, fast so unbefleckt wie eine Jungfrau.
    Giuliana schaltete im Treppenhaus das Licht an und zog hinter sich erleichtert die Eingangstür ins Schloss. Sie atmete tief durch und machte sich auf den Weg zu ihrer Wohnung im dritten Stock. Sie hatte den zweiten Stock noch nicht erreicht, da öffnete sich erneut die Haustür. Ein Dietrich verschwand in einer Jackentasche. Das Türschloss war so alt, dass es auch ein Kind hätte knacken können. Der Schatten glitt hinter Giuliana die Treppe hinauf. Dabei spielte eine Hand mit einer roten Samtkordel.

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    M ark kniete auf dem Fahrersitz und suchte hinter der Lehne nach den Grappaflaschen, die er dort verstaut hatte. Sein geliebter Morgan mochte viele Vorzüge haben, aber für italienische Einkaufstouren war er mangels entsprechender Stauräume ziemlich ungeeignet. Nun, eigentlich hatten sie ja auch nur eine kleine Landpartie gemacht. Am Vormittag waren sie am Gardasee losgefahren. In Marostica hatten sie Fra’ Girolamo besucht, jenen Pastor, der Mark nach seiner Entführung am Straßenrand aufgelesen hatte. Der Geistliche hatte Laura und ihn durch seine Kirche Sant’ Antonio geführt, ihnen das berühmte Fresko von Jacopo Bassano erläutert, das den heiligen Paulus bei seiner Predigt in Athen zeigt. Und dann mussten sie seinen Messwein probieren, dem Fra’ Girolamo regelmäßig zuzusprechen schien. Mit roten Wangen erzählte er ihnen von einer Hochzeit, die er vor einigen Tagen zelebriert hatte. Er sei berühmt dafür, dass die von ihm geschlossenen Ehen besonders glücklich würden. Fröhlich kichernd hatte er daraufhin mit Laura und Mark angestoßen. Mark wusste nicht so recht, ob er dies als Anspielung verstehen sollte. Jedenfalls hatte Laura den Pastor umarmt und geküsst, was aus Marks Sicht doch wohl etwas übertrieben war. Später waren sie hinaufgefahren zur oberen Burg, dem Castello Superiore, die auf die Zeit der Skaliger zurückgeht. Von Verona aus hatte das Geschlecht der Scala im 13. und 14. Jahrhundert seine Herrschaft auf große Teile des Veneto ausgedehnt. Überall stößt man auf ihre mächtigen Burgen und wehrhaften Mauern, die immer die geschweiften Zinnen der kaisertreuen Ghibellinen tragen. Laura hatte von den erstaunlichen Namen der Skaliger erzählt, die alle etwas mit Hunden zu tun hatten. Vom Kampfhund Mastino über den großen Hund Cangrande reicht die Ahnengalerie bis zum Can Rabbiso, dem tollwütigen Hund. Mastino della Scala, der 1277 ermordet wurde, hatte den Handel mit Venedig ausgebaut. Cangrande, der berühmteste Scala und ein glänzender Heerführer, eroberte unter anderem Vicenza, Belluno und Padua. Nach seinem Tod kamen dann noch Brescia, Parma und sogar das toskanische Lucca zum Herrschaftsbereich hinzu. Damit hatten die Skaliger aber nun auch Florenz gegen sich aufgebracht. Die Toskaner verbündeten sich mit Venedig gegen die Skaliger, die Visconti aus Mailand schlossen sich an und die Este von Ferrara. Gegen diese übermächtige Allianz konnten die Skaliger nicht bestehen. Die verlorene Schlacht von Padua leitete 1337 den Niedergang der Skaliger ein. Fünfzig Jahre später flüchtete Antonio della Scala nächtens in einem Boot auf der Etsch aus Verona.
    Fra’ Girolamo hatte seine Vespa im Hof des Castello Superiore neben Marks Morgan geparkt. Gemeinsam hatten sie den herrlichen Panoramablick über die mittelalterliche Stadt hinaus aufs weite Land genossen. Fra’ Girolamo hatte die Geschichte vom historischen Schachturnier auf der Piazza Castello erzählt, die Mark bereits von Laura kannte. Im Ristorante Al Castello Superiore hatten sie zu Mittag gegessen. Fra’ Girolamo erwies sich dabei als ein prächtiger Unterhalter, dem nie der Stoff für Erzählungen auszugehen schien.
    Am Nachmittag waren Laura und Mark dann nach Bassano del Grappa weitergefahren. Das Städtchen, am Fuße des Monte Grappa am Brenta-Fluss gelegen, ist nicht nur wegen der Holzbrücke Ponte degli Alpini berühmt, die auf einen Entwurf von Palladio zurückgeht, sondern wohl noch bekannter für seinen Tresterschnaps. Bassano del Grappa ist der Geburtsort der

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