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Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Titel: Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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hatte von Laura erfahren, dass Treviso schon im Mittelalter als Garten Venedigs galt und die Lagunenstadt mit landwirtschaftlichen Produkten versorgt hatte. Er erinnerte sich, dass ihm sein Freund Roberto von den kulinarischen Genüssen vorgeschwärmt hatte, die in Treviso eine ganz besondere Tradition hätten. Schließlich seien die reichen Aristokraten schon allein wegen der guten Küche von Venedig nach Treviso gereist. Und wegen der dolce vita, wie Laura zu ergänzen wusste. In Treviso habe man sich schon immer auf die Kunst des guten Lebens verstanden. Davon könne man sich bei Boccaccio überzeugen, der die Liebes- und Verführungskunst nicht ohne Grund
danza trevisana
genannt hatte. Am Vormittag waren sie über die Obst- und Gemüsemärkte rund um die Piazza dei Signori geschlendert. Im Herbst und im Winter gebe es hier den berühmten Radicchio rosso di Treviso, hatte Laura erzählt, jenes rötliche, langblättrige Gewächs, für das Treviso berühmt sei. Der Radicchio rosso schmecke nicht nur köstlich, sondern sei auch schön anzusehen. Wie eine Blume, die man essen kann, »un fiore che si mangia«.
    »Warst du eigentlich schon einmal in Treviso?«, wollte Laura wissen, während sie in der Getränkekarte blätterte.
    »Nein, ich bin nur mal durchgefahren«, erinnerte sich Mark, »auf dem Weg nach Belluno, wo ich mich mit Roberto für unsere Dolomitenwanderung getroffen habe. Aber da habe ich von Treviso nicht viel gesehen.«
    »War das damals, als Ottilia ums Leben gekommen ist und du nicht erreichbar warst?«
    »Ja, genau. Ist eigentlich noch gar nicht so lange her. Und was ist in der Zwischenzeit alles passiert!« Mark verschränkte die Arme und lehnte sich zurück. »Unvorstellbar. Der Tod von Grandma, die Erbschaft, die Entführung. Mein ganzes Leben wurde aus den Angeln gehoben.«
    »Kein Wunder, immerhin hast du die Frau aus deinen Träumen kennen gelernt!« Laura lächelte herausfordernd.
    Mark legte die Stirn in Falten. »Tatsächlich? Ich kann mich gar nicht daran erinnern. Wer soll das gewesen sein?«
    Laura nahm die Getränkekarte und schlug sie Mark mit Vehemenz auf den Kopf. »Noch so eine blöde Bemerkung, und du kannst dein jämmerliches Dasein als Single fortsetzen.«
    Mark hob schützend die Arme vor sein Gesicht. »Ich liebe das Temperament italienischer Frauen. Und hab Dank für den Schlag, jetzt ist es mir wieder eingefallen. Die Verkäuferin auf dem Gemüsemarkt vorhin, die alte, die keine Zähne mehr hatte, einen Buckel und kaum mehr Haare, von der habe ich wirklich schon oft geträumt.«
    »Jetzt reicht’s aber.« Laura spielte die Entrüstete und stand auf, als ob sie gehen wollte.
    »Komm, setz dich wieder, ich muss dir noch etwas aus meinen Träumen erzählen. Immer wenn ich diese alte Hexe küsse …«
    »Igitt, du küsst diese vecchia strega in deinen Träumen?« Laura verzog angewidert das Gesicht.
    »Ja, natürlich. Schließlich verwandelt sie sich dann in eine wunderschöne Prinzessin.«
    »Und? Was hat es mit dieser Prinzessin auf sich?« Sie sah Mark fragend an.
    Er ließ sich mit der Antwort Zeit. »Nun, sie sieht ganz genauso aus wie du.«
    Laura beugte sich nach vorne, nahm lächelnd sein Gesicht in beide Hände und gab ihm einen dicken Kuss auf den Mund. »Da bist du aber gerade noch einmal davongekommen!«
    Mark grinste. »Du darfst nicht so ungeduldig sein. Soll ich dir erzählen, was ich dann in meinen Träumen mit dieser Prinzessin anstelle? Also, zunächst einmal ziehe ich sie aus, ganz langsam …«
    »Hör auf, ich kann mir schon vorstellen, was jetzt kommt. Bestell mir lieber einen Bellini. Und dann erzähl mir, ob du etwas von Doktor Leuttner erfahren hast.«
    »Uups, das ist aber ein harter Themenwechsel. Was ich von Doktor Leuttner erfahren habe? Nun, nichts Gutes. Seine Detektive sind jedenfalls nicht weitergekommen. Wie es aussieht, lassen sich Rudolfs Geldeinnahmen, die ihm unmittelbar nach meiner Entführung auf höchst mysteriöse Weise zugeflossen sind, nicht zurückverfolgen. Die Spur versickert in der Schweiz und in Liechtenstein.«
    »Womit wir keinen Schritt weiter wären«, stellte Laura fest.
    »Ja, sieht ganz so aus. Es ist wirklich zum Verrücktwerden. Wir haben eine Fülle von Indizien, alle Mosaiksteinchen passen perfekt zusammen, und doch haben wir keinen einzigen Beweis, dass Rudolf wirklich mein Entführer ist, und schon gleich gar nicht, dass er Ottilia umgebracht hat.«
    »Außerdem hat er deine Mutter in den Selbstmord getrieben, deinen

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