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Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Titel: Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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Geld ist bereits auf Ihrem Schweizer Konto. Nehmen Sie also bitte die alberne Schrotflinte weg.«
    »Ich glaube, Sie sind verrückt.« Der alte Herr wirkte außerordentlich erregt. »Ich kenne keinen Dottor Luzzo. Das Weingut ist seit Generationen in Familienbesitz und wird es auch bleiben. Außerdem habe ich kein Konto in der Schweiz, das habe ich nicht nötig. Und jetzt hauen Sie endlich ab! Se ne vada adesso!«
    Rudolf erschrak, als der Conte einen der beiden Läufe seiner Flinte abfeuerte. Der Wahnsinnige meinte es ernst. Rudolf flüchtete ins Auto, wendete und fuhr mit durchdrehenden Rädern davon. In seinem Kopf hämmerte es. Wenn es keinen Generalbevollmächtigten Luzzo gab, mit wem hatte er dann gesprochen und den Vertrag geschlossen? Und wem gehörte das Schweizer Konto, auf das er die fünf Millionen Mark überwiesen hatte? Rudolf schleuderte durch das Tor auf die Bundesstraße. War das soeben alles ein großes Missverständnis gewesen? Oder? Rudolf wagte es kaum, den Gedankengang fortzusetzen. Oder war er etwa einem riesigen Schwindel aufgesessen? Nein, das konnte, das durfte einfach nicht sein. Er spürte plötzlich einen sanften Druck, der von der silbernen Schatulle in seiner Jackentasche ausging. Als ob die Würfel zu ihm sprechen wollten. Als ob sie ihm Vorwürfe machen wollten, weil er sie vor dem Kauf nicht zu Rate gezogen hatte.

58
    D er Principale ruhte auf der Terrasse vor seinem Palazzo im Schatten einer alten Platane. Ein warmer Wind fächelte durch die Blätter. Alberto, der sich langsam genähert hatte, überlegte, ob der Principale vielleicht schlief. Die dunkle Sonnenbrille verbarg seine Augen. Sicherlich war es nicht gut, ihn beim Mittagsschlaf zu stören. Noch dazu mit einer so schlimmen Nachricht. Bestimmt war er eingenickt. Am besten schlich er sich wieder leise davon. Außerdem war es wahrscheinlich ohnehin ein Fehler, dem Principale alles zu erzählen.
    »Buona sera, Alberto, was führt dich zu mir?«
    Alberto erschrak. Der alte Herr schlief also doch nicht. »Buona sera, Principale, mi dispiace il disturbo.«
    »D’accordo, non c’è problema. Also, was gibt’s? Habt ihr was Neues über unseren sympathischen Freund aus Deutschland herausbekommen?«
    »Nein, haben wir nicht.«
    »Wo ist er jetzt?«
    Alberto zupfte verlegen am Ohrläppchen. »Wissen wir leider nicht, er ist uns heute Morgen entwischt. Er war mit dem Auto unterwegs, und Arturo hat bei einer roten Ampel den Anschluss verloren. Aber ich bin sicher, er wird bald wieder auftauchen.«
    Der Principale schüttelte ungläubig den Kopf. »Seit wann hält Arturo bei einer roten Ampel?«
    »Wenn direkt daneben zwei Carabinieri stehen, dann schon.«
    »Stimmt, das ist ein Argument. Eine junge Frau mit Kinderwagen, die gerade die Straße überquert, wäre auch eine Entschuldigung gewesen.«
    Alberto fasste all seinen Mut zusammen. »Principale, ich bin wegen meines Schwagers Franco Paolo hier. Ich habe eine Hiobsbotschaft.«
    »Eine Hiobsbotschaft? Alberto, das ist nicht gut. Weißt du, was man in alttestamentarischen Zeiten mit den Überbringern schlechter Nachrichten gemacht hat? Man hat sie geköpft!«
    Alberto fühlte sich ausgesprochen unwohl in seiner Haut. Warum quälte ihn der Principale? Er hatte sich doch den Bruder seiner Frau nicht ausgesucht. Was konnte er dafür?
    »Alberto, ich wollte dich nicht erschrecken. Also sag schon, hat Franco etwa Geld unterschlagen?«
    »Wenn es nur das wäre, nein, hat er nicht. Ich habe ihn heute Vormittag in seiner Wohnung gefunden. Tot. Er hat sich erhängt.«
    Der Principale zeigte keine Regung. »È un gran peccato, aber er wird seine Gründe gehabt haben. Gibt es einen Abschiedsbrief?«
    »Es gibt keinen Brief, nein.«
    »Strano, vielleicht hat er doch Geld unterschlagen und sich jetzt aus Angst vor mir das Leben genommen. In diesem Fall wäre das sogar eine ausgesprochen kluge Entscheidung gewesen.«
    Alberto trat nervös von einem Bein auf das andere. Sollte er es wirklich erzählen?
    »Principale, ich denke, ich kenne den Grund für seinen Selbstmord. Obwohl ich es immer noch nicht glauben kann. Es ist einfach unvorstellbar und eine Schande für die Familie. Sie haben doch von den Prostituiertenmorden in Venedig gehört?«
    »Natürlich, die Zeitungen berichten ja fast täglich davon. Außerdem hat das letzte Opfer, Antonella, für uns gearbeitet. Was hat der Freitod von Franco mit den Serienmorden zu tun?«
    »Sie müssen wissen, Franco hat alleine gelebt. In seiner Wohnung

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