Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)
ausreichend beweglich fühlte, gab er flüsternd das Kommando zum Aufbruch und zog sich die Strumpfmaske über den Kopf. Mauro folgte seinem Beispiel. Dann liefen beide geduckt über eine Wiese zu einer Mauer. Alessandro half Mauro, dann rollte er sich selbst mit erstaunlicher Geschmeidigkeit über die Mauer. An der Haustür angelangt, machte Alessandro ein Zeichen. Mauro hatte bereits sein Spezialwerkzeug in der Hand. Es dauerte keine Minute, schon war die Tür geöffnet. Sie schlichen ins Haus.
»Porca miseria«, zischte Alessandro durch die Zähne, als er gegen eine große bronzene Statue rempelte, die er im Dunkeln übersehen hatte. Nur mit viel Glück gelang es ihm, sie vor dem Umfallen zu bewahren. Er atmete erleichtert durch und schaltete seine Taschenlampe ein. Den Lichtkegel schirmte er mit der Hand ab. Sie schlichen zur Treppe, die in den ersten Stock führte. Alessandro prägte sich die Stufen ein, dann schaltete er die Taschenlampe wieder aus. Er wartete eine Weile, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Durch ein rundes Fenster fiel dank der mondhellen Nacht ausreichend Licht. Alessandro und Mauro schlichen die Treppe hinauf in den ersten Stock. Vor dem Schlafzimmer angelangt, stellte Alessandro fest, dass die Tür nur angelehnt war. Behutsam öffnete er sie. Wenige Augenblicke später standen sie vor dem Bett.
Mark schlief tief und fest. Alessandro sah zu Mauro, der zwischen seinen beiden Händen ein Stück des breiten Klebebands gespannt hielt. Alessandro nickte zufrieden. Die Sache war bereits so gut wie erledigt. Mit eisernem Griff packte er den schlafenden Mark an den beiden Unterarmen und drückte ihn gleichzeitig mit dem Oberkörper in die Matratze. Bevor Mark zu irgendeiner Reaktion fähig war, hatte Mauro ihm bereits den breiten Streifen über den Mund geklebt. Mark hatte die Augen jetzt weit aufgerissen und versuchte sich strampelnd aus der Umklammerung zu befreien. Alessandro musste unter seiner Gesichtsmaske grinsen. Diese Bemühungen waren ja geradezu lächerlich. Mauro zerrte einen dünnen Leinensack über Marks Kopf, so dass dieser zwar noch durch die Nase atmen, aber nichts mehr sehen konnte. Alessandro wartete, bis Mauro den nächsten Klebestreifen vorbereitet hatte, dann hob er Mark wie eine Puppe hoch, wobei er die Arme fest gegen den Körper presste. Mauro wickelte das Klebeband mehrfach um Marks Oberkörper und Arme. Alessandro ließ Mark zurück aufs Bett fallen und packte ihn jetzt an den Beinen. Nachdem Mauro auch diese mit Klebeband umwickelt hatte, wies Mark einige Ähnlichkeit mit einer altägyptischen Mumie auf.
Alessandro zog sich die Strumpfmaske vom Kopf und brachte seinen Zopf in Ordnung. Mauro stopfte derweil die Masken und das restliche Klebeband in einen Rucksack. Kurz darauf hatte sich Alessandro Mark wie einen Sack Kartoffeln über die Schulter geworfen. Marks Kopf steckte in Alessandros Armbeuge. Es genügte ein kurzer Druck, schon hörte Mark auf, sich wie ein Fisch zu winden.
Leise vor sich hin pfeifend, trug Alessandro sein Entführungsopfer die Treppen hinunter und durch den Garten zum Lieferwagen, den Alberto mittlerweile aufs Grundstück gefahren hatte. Alberto öffnete die Hecktür. Alessandro verstaute Mark hinter einigen Kartons mit Campariflaschen. Mauro warf eine Decke über den Entführten und klopfte Alessandro anerkennend auf die mächtige Schulter.
»Wie ich gesagt habe, ein Kinderspiel. Übrigens, hast du die Haustür offen gelassen?«
Als Mauro nickte, erklärte Alessandro, dass er gleich wieder da sei. Er lief zurück zum Haus und leuchtete im Flur mit der Taschenlampe die Statue an, gegen die er vor wenigen Minuten gerempelt war. Sie war etwa eineinhalb Meter hoch und zeigte eine junge nackte Frau mit einem Apfel in der Hand. Alessandro richtete seine Taschenlampe nach rechts. Da stand eine zweite, offenbar dazugehörige Statue, die einen nackten Jüngling darstellte. Alessandro steckte die Taschenlampe in die Jogginghose und hob die erste Statue hoch. Er stellte schnaufend fest, dass die Figur über ein gehöriges Gewicht verfügte. Trotzdem ließ er sich von seinem Vorhaben nicht abbringen. Er schleppte die Statue zum Lieferwagen und legte sie in den Laderaum. Obwohl Alberto protestierte und zu verstehen gab, dass er endlich losfahren wolle, eilte Alessandro noch ein weiteres Mal zum Haus. Kurz darauf tauchte er mit der zweiten Statue auf. Schließlich war auch diese verstaut, und Alberto steuerte den Lieferwagen auf die
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