Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)
Straße. Mauro saß hinten bei dem Entführten. Alberto konzentrierte sich aufs Fahren. Alessandro nahm ein Handy aus dem Handschuhfach und wählte eine Nummer. »Tutto liscio, come previsto. Senza problemi.«
Die Antwort war noch kürzer: »Va bene. In bocca al lupo.«
Alessandro schaltete das Handy aus und legte es zurück ins Handschuhfach. Von den beiden Statuen musste sein Gesprächspartner nichts wissen. Diese hatte er einer spontanen Eingebung folgend mitgenommen. Sie machten einen wertvollen Eindruck. Außerdem stellte ihr Gewicht eine sportliche Herausforderung dar. Was man von diesem schwächlichen Mark nicht gerade behaupten konnte. Alessandro lehnte sich zurück und schloss die Augen. Sie hatten eine längere Autofahrt vor sich.
Mark versuchte seine Position zu verändern. Irgendetwas bohrte sich in seinen Rücken. Außerdem konnte er seine Hände nicht mehr fühlen. Offenbar hatten die Klebefesseln die Blutzufuhr unterbrochen. Und der Kopf tat ihm auch weh. Die Landung auf der blechernen Ladefläche war ziemlich unsanft gewesen. Immerhin bekam er mittlerweile durch die Nase ausreichend Luft. Anfänglich hatte er geglaubt, er würde ersticken. Erst jetzt, da sich seine Atmung beruhigt hatte, ging es besser. Nicht auszudenken, was im Falle eines Schnupfens passiert wäre. Der Wagen stoppte kurz, dann beschleunigte er und hielt konstant ein höheres Tempo. Wahrscheinlich waren sie jetzt auf der Autobahn, und das gerade war die Station gewesen. Was zum Teufel ging hier vor? Warum wurde er entführt? Das durfte doch einfach nicht wahr sein! Mark zermarterte sich den Kopf. Wer um Himmels willen hatte einen Grund, ihn zu kidnappen? Einen relativ unbekannten Fotografen. Der weder Feinde hatte noch übermäßig viel Geld. Nicht viel Geld? Scheiße, das stimmte ja gar nicht mehr. Dank Grandma Ottilias Testament war er, nun, man könnte das vielleicht sogar als reich bezeichnen. Aber das wusste ja kaum jemand. Noch dazu lag die Testamentseröffnung erst wenige Wochen zurück. Und er hatte nicht einmal eine Ahnung, ob er über das Geld bereits verfügen konnte. Das war ihm auch völlig egal gewesen. Aber diese Entführung, was konnte sie sonst bedeuten, als dass man Geld erpressen wollte?
Mark dachte daran, wie er aus dem Schlaf gerissen worden war. So etwas Schreckliches hatte er noch nie erlebt. Plötzlich ein tonnenschweres Gewicht auf dem Brustkorb. Die Arme eingespannt wie in Schraubstöcke. Der Mund verklebt. Atemnot. Eine schwarze Maske nur Zentimeter von seinem Gesicht entfernt. Ein Alptraum der schlimmsten Sorte, der einen entscheidenden Nachteil hatte – er war kein Traum, sondern Realität!
Mark versuchte abzuschätzen, wie lange sie bereits unterwegs waren. Aber er musste sich eingestehen, dass er jedes Zeitgefühl verloren hatte. Vielleicht eine halbe Stunde? Oder länger? Verdammt noch mal, er musste sich irgendwelche Anhaltspunkte merken. Möglicherweise konnte man so später einmal den Entführern auf die Spur kommen. Später einmal? Hoffentlich würde es ein »später einmal« geben. Sie befanden sich auf einer Autobahn, so viel war klar. Jetzt wurde das Tempo reduziert, der Wagen fuhr eine scharfe Kurve, so eine Art Schleife. Mark rutschte auf der Ladefläche nach rechts. Einige schnellere Autos kamen vorbei. Der Lieferwagen – um einen solchen musste es sich handeln – beschleunigte wieder. Mark hörte einige Flaschen klappern. Er hatte das Gefühl, dass jemand ganz in der Nähe bei ihm saß. Und vorne beim Fahrer war auch noch jemand. Ab und zu waren Stimmen zu hören. Eines war jedenfalls klar –, seine Entführer waren Italiener. Es wurde zwar wenig gesprochen, aber wenn, dann schnappte er immer italienische Wortfetzen auf. Der Wagen hielt wieder eine gleichmäßige Geschwindigkeit. Mark rief sich die Landkarte in Erinnerung. Die Schleife vorhin konnte eigentlich nur eine Art Autobahndreieck gewesen sein. Nach Norden gab es so etwas nicht, also waren sie nach Süden gefahren und bei Verona wahrscheinlich auf die Autobahn Mailand–Venedig abgebogen. Fragte sich nur, in welche Richtung. Nach seinem Gefühl war das Fahrzeug nach links abgebogen. Wenn das stimmte, dann waren sie jetzt unterwegs nach Osten, also Richtung Vicenza. Irgendwo links könnte sich Verona befinden, und dort lag Laura einsam und nichts ahnend im Bett. Vielleicht träumte sie gerade von ihm?
Was hatten die Entführer mit ihm vor? Nun, umbringen würden sie ihn nicht, jedenfalls nicht sofort. Dazu hätten
Weitere Kostenlose Bücher