Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)
war bereits fast Mitternacht, gab es noch einen süßlichen Dessertwein zu probieren, der im Veneto Recioto genannt wird. Beim Recioto werden die Trauben nach der Lese einige Monate auf Matten ausgebreitet und getrocknet.
Als sie endlich fertig waren, passierte das, was Rudolf Krobat hatte kommen sehen. Der hemmungslose Trinker, der zwischendurch schon fast an seinem Hustenanfall erstickt war, fiel vom Stuhl. Aber kleine Kinder und Betrunkene haben oft einen besonderen Schutzengel. Im nüchternen Zustand hätte der übergewichtige Mann den Sturz auf den harten Steinboden wohl kaum unversehrt überstanden. So aber verlangte er, kaum hatte man ihn wieder in eine aufrechte Position gebracht, mit lauter Stimme nach einem »kleinen Schlummertrunk«.
18
O hne Licht anzumachen, lief Mark barfuß durch die Küche. Dabei dachte er an den zurückliegenden Tag, der nicht herrlicher hätte sein können. Laura hatte von Bekannten ein kleines Segelboot ausgeliehen. Von Lazise aus waren sie hinüber auf die andere Seite des Sees gesegelt. Vor der Isola del Garda hatten sie geankert. Um die Wette waren sie zu einer Boje geschwommen. Wieder zurück im Boot, hatten sie sich, noch außer Atem und nass, zum ersten Mal geliebt. Später hatten sie bei einem Fischlokal in der Nähe von San Felice del Benaco angelegt und gegessen wie zwei ausgehungerte Schiffbrüchige.
Er öffnete den Kühlschrank, nahm eine Flasche Spumante heraus und zwei schlanke Gläser, die er daneben gelegt hatte. Leise vor sich hin pfeifend, ging er zurück in den ersten Stock. Er sah Laura noch am Ruder des Segelboots sitzen. Nackt und braun gebrannt, die schwarzen Haare vom auffrischenden Wind zerzaust, die grünen Augen verwegen blitzend. Laura war eine sportliche Seglerin, die ihren Spaß daran hatte, wenn es etwas härter zur Sache ging.
Ihm fiel ein, dass Laura morgen in aller Frühe nach Verona aufbrechen musste, um dort für einige Tage eine Reisegruppe zu übernehmen. Er hatte gehofft, dass sie diesen Termin absagen könnte, aber das Touristikbüro hatte so kurzfristig keinen Ersatz. Umso wichtiger ist es, dachte er, die verbleibende Zeit optimal zu nutzen.
Mit dem Ellbogen öffnete Mark die Tür zum Schlafzimmer. Die Lichter waren gelöscht, das Fenster stand offen, eine leichte Brise blähte die weißen Gardinen. Laura lag nackt auf dem großen Bett. Das fahle Licht des Mondes, der hoch über dem See stand, verlieh ihrem Körper einen silbrigen Glanz. Mark stellte die Flasche und die Gläser auf den Boden. Sein Blick fiel auf ihre Brüste, auf ihren schlanken Hals … Er sah, wie Laura lächelte. Aufreizend langsam spreizte sie ihre Beine. Als ob es dieser Aufforderung noch bedurft hätte. Der Spumante würde etwas warten müssen. Mark konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Ob ihr klar war, dass er gut gekühlte Hände hatte?
19
G eht der denn nie zu Bett?« Alberto hatte seine Arme über dem Lenkrad verschränkt und sah mit schweren Lidern hinüber zum immer noch hell erleuchteten Haus. »Ich kann mich bald nicht mehr wach halten.« Wie zur Bestätigung gähnte er herzhaft.
»Dann steig aus, und mach einige Kniebeugen, das hilft!« Alessandro, der auf dem Beifahrersitz des Lieferwagens saß, massierte bedächtig seine Oberschenkelmuskulatur. »Wo bleibt eigentlich Mauro?«
»Vielleicht ist er beim Pinkeln über die Böschung gestürzt«, meinte Alberto kichernd.
Kurz darauf wurde die Hecktür des Lieferwagens geöffnet, und Mauro schlüpfte in das Fahrzeug. »Habt ihr gesehen, im Erdgeschoss sind gerade die Lichter ausgegangen?«
»Grazie a Dio.«
Alessandro nahm ein Fernglas aus dem Handschuhfach und inspizierte das Haus. »Er ist jetzt im ersten Stock im Bad, ich kann seinen Schatten sehen.«
Zwanzig Minuten später lag das Haus komplett im Dunkeln. Alessandro leuchtete mit der Taschenlampe kurz auf die Armbanduhr. »Zwei Uhr dreißig. Wir geben ihm noch eine gute halbe Stunde. Der erste Schlaf ist am tiefsten. Da werden wir mit ihm keine Schwierigkeiten haben. Macht euch schon mal fertig. Alberto, du bleibst im Auto. Mauro, gib mir meine Strumpfmaske! Und vergiss die Klebebänder nicht!«
»Für wie blöd hältst du mich?«
Alessandro wuchtete seinen riesigen Körper aus dem Transporter, auf dem groß »Campari« stand. Er lockerte sich mit einigen Stretchübungen. Wie seine beiden Kumpane hatte er einen schwarzen Trainingsanzug an. Zwischendurch warf er immer wieder einen kurzen Blick zum Haus.
Als er sich schließlich
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