Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)
Caffelatte.«
Laura lächelte spitzbübisch. »Aber gerne. Also, Guido sagt, dass ihr diesen Alessandro zu einem Anwesen hier ganz in der Nähe verfolgt habt. Und dass er weiß, wem dieser Palazzo gehört.«
»Mach’s nicht so spannend.«
Laura hielt ihr Cornetto dramatisch in die Luft. »Andrea da Domenico!«
»Ist ja toll. Und wer ist dieser Domenico?«
»Man nennt ihn allgemein nur den Principale.«
»Wow, klingt bedeutend.«
»Ist er auch, mein Lieber. Der Principale ist ein alter Herr und der unumschränkte Herrscher über ein mächtiges Imperium rund um Glücksspiel, Prostitution, Schutzgelder und Drogenhandel.«
»So etwas wie ein Pate?«
»Ja, so ähnlich kann man sich ihn wohl vorstellen.«
Mark sah Laura überrascht an. »Sag mal, woher weißt du das eigentlich, du bist doch Kunsthistorikerin und keine Kriminalreporterin?«
»Guido hat’s mir erzählt. Und um deine nächste Frage gleich zu beantworten, Guido arbeitet für eine große Versicherung. Er ist Kunstexperte, er bestimmt den Wert der Objekte, legt die Versicherungstarife fest und reguliert Schadensfälle. Und der Principale ist einer der größten Privatsammler venezianischer Renaissance-Maler. Daher kennt Guido den Principale persönlich und war schon einige Male in seinem Palazzo.«
»Ein Krimineller residiert in einem Palast und sammelt Gemälde?«
»Andrea da Domenico ist kein gewöhnlicher Verbrecher, das sagte ich doch schon, er ist eben der Principale. Man kann ihm nichts nachweisen, die schmutzigen Geschäfte erledigen andere. Der Principale ist im Veneto hoch angesehen, ist mit wichtigen Politikern und Wirtschaftsbossen befreundet, und finanziert sogar eine Stiftung, die Waisenhäuser unterhält. Der Principale ist unantastbar.«
»Und dieser Alessandro, der Hüne, der mich wie einen halb leeren Kartoffelsack über die Schulter geworfen hat, dieser Alessandro arbeitet für den Principale?«
»So ist es. Laut Guido ist Alessandro der Geldeintreiber des Principale. Er sorgt dafür, dass es niemand am nötigen Respekt mangeln lässt.«
Mark spielte geistesabwesend mit dem Handy, das er vergangene Nacht entwendet hatte und das neben seinem Teller auf dem Frühstückstisch lag.
»Dieser Principale hat also meine Entführung in Auftrag gegeben, und Alessandro hat das Ganze durchgezogen. So wird’s gewesen sein.«
Laura lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Diese Schlussfolgerung hätte ich auch gezogen, aber Guido glaubt nicht daran.«
Mark klappte das Handy auf und zu. »Warum nicht? Ist doch eindeutig, oder?«
»Guido sagt, dass Entführungen unter dem Niveau des Principale seien. So etwas würde er nicht machen.«
»Aber Alessandro war’s, da bin ich mir sicher, und das Haus stimmt auch. Ich wette, dass wir im Keller mein Versteck finden würden.«
»Comunque, wie auch immer, jetzt ist jedenfalls die Polizei am Zug. Ich schlage vor, du rufst sowohl deinen Hauptkommissar Wächter als auch diesen unseligen Sanabotti an und erzählst ihnen alles.«
»Wird wohl das Beste sein«, stimmte Mark zögernd zu.
Laura goss etwas Caffè nach und schob dann mit dem Löffel Milchschaum darüber. Mark beugte sich plötzlich über das Handy und drückte erwartungsvoll auf die Taste fürs Adressverzeichnis.
»Schade, leer, nichts eingegeben. Wäre ja vielleicht für die Polizei interessant gewesen.«
»Ist dies das Handy, das du dem Alessandro letzte Nacht geklaut hast?«
»Richtig. Das lag so dumm rum, da habe ich es eingesteckt. Weiß auch nicht, was ich damit soll.«
»Zeig mal her!«
Mark gab Laura das Handy. »Der Akku ist fast leer. Bald können wir sowieso nichts mehr damit anfangen, weil wir den PIN -Code nicht kennen und kein passendes Ladegerät haben.«
Laura studierte die Funktionen und drückte auf einige Tasten. »Sorpresa!« Sie sah Mark triumphierend an. »Hier sind die Nummern der letzten zehn Telefonate gespeichert, die Alessandro geführt hat. Ich hol mal einen Zettel. Wir sollten sie alle aufschreiben, bevor das Handy leer ist.«
Mark nahm in der Zwischenzeit den Apparat und sah sich die Nummern an. Als Laura ihm das Handy wieder abnehmen wollte, machte er eine abwehrende Handbewegung. Ungläubig starrte er auf das Display. 0049-89 war die Vorwahl gleich zweier Gespräche. Die folgenden Ziffern kamen ihm bekannt vor. Mark sprang auf und holte sein Telefonnummern-Verzeichnis aus der Reisetasche. Aufgeregt blätterte er in den Seiten. Dann folgte eine Pause. Mark legte das Handy zur
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