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Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Titel: Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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Antiquitäten geht nicht mehr so gut wie früher. Und es ist schwer, an Nachschub heranzukommen, da helfe ich ihm eben. È così semplice! Ich versteh zwar nichts davon, aber Franco ist ein dankbarer Abnehmer von allem, was irgendwie alt aussieht.«
    »Der Principale dürfte das aber nicht wissen.«
    »Ich glaube, er weiß es. Solange es seine Geschäfte nicht betrifft, ist es ihm egal. Und ich verdiene ja nichts daran, ich mache es für Franco umsonst.«
    »Und die Entführung?«
    Alessandro beugte sich nach vorne. Plötzlich hatte seine vorher sanfte Stimme einen scharfen Ton. »Das ist eine andere Sache. Dafür würde er uns umbringen, das ist dir klar, oder? Aber nur du und Mauro wissen davon. Ihr habt beide viel Geld dafür bekommen. Mauro ist der Sohn meines Patenonkels, ihm kann ich vertrauen.« Alessandro packte Alberto mit festem Griff am Oberarm. »Und du, lieber Alberto, du bist mein bester Freund. Ich vertraue auch dir. Doch bete zum Himmel, dass mir an deiner Freundschaft nie Zweifel kommen.«
    »Bei der Jungfrau Maria, ich verspreche es.« Alberto klang weinerlich. »Aber bitte lass meinen Arm los, ich habe überhaupt kein Gefühl mehr in meiner Hand, und meine Knochen sind wahrscheinlich schon zerbröselt.«
    »Dabei habe ich noch gar nicht angefangen zuzudrücken.«
    Alessandro löste den Griff und lehnte sich ruhig zurück. Alberto atmete erleichtert auf und versuchte seine tauben Finger zu bewegen. Das hätte ins Auge gehen können. Er wusste, wie schnell Alessandros Gutherzigkeit in nackte Gewalt umschlagen konnte. Vor einigen Tagen erst hatte sich Alessandro bei einem gemeinsamen Mittagessen so über den Hund seiner Schwester geärgert, dass er ihn kurzerhand aus dem Fenster geworfen hat, um dann in Seelenruhe weiterzuessen. Die Schwester wohnte im fünften Stock! Und mit Menschen ging Alessandro kaum weniger herzlich um, wenn sie ihn reizten. Das hatte Alberto oft genug miterlebt. Außerdem war die Entführung ja wirklich einträglich gewesen. Er schuldete Alessandro großen Dank. Nie im Leben würde er ihn verpfeifen. Warum auch? Damit würde er sich nur sein eigenes Grab schaufeln. Und den Auftraggeber der Entführung, den kannte er sowieso nicht. Alessandro war hier verschlossen wie eine Auster. Wie er auch bis heute nicht herausbekommen hatte, wie die Lösegeldübergabe abgelaufen war. Sie hatten einmal mit Alessandros altem Transporter zwei Mountainbikes südlich von Verona in der Nähe von Villafranca am Straßenrand deponiert. Aber erstaunlicherweise wurden sie später nicht mehr benötigt.
    Alberto warf erneut einen kurzen Blick in den Innenspiegel. Alessandro war wieder damit beschäftigt, seine Fingernägel zu pflegen. Er hatte sich offenbar beruhigt.
    »Was macht eigentlich dein Cellulare, hast du es gefunden?«
    »Nein, dabei habe ich es überall gesucht. È stregato! Es ist einfach weg. Ich hab mir ein neues besorgt. Der Principale möchte, dass ich immer erreichbar bin.«
    Alberto lag es auf der Zunge, Alessandro mit seiner Vergesslichkeit aufzuziehen oder ihn zu fragen, ob er das Telefon auch ins Fangobad mitnehmen würde. Diese kleinen Neckereien zählten zu ihrem üblichen Umgangston. Aber er hatte den Eindruck, dass es diesmal besser war, sich zurückzuhalten.

37
    W ie verabredet stieß Mark in der Antica Locanda Montin zur Reisegruppe. Gerade rechtzeitig kam er für die köstlichen
Antipasti di pesce
. Danach gab es feine
Tortellini fatti a mano al radicchio
und später
Filetti di branzino agli asparagi
. Dazu einen spritzigen
Vino bianco della casa
.
    Mark bedankte sich bei Bill für dessen große Hilfe und stillte seine Neugier auf den weiteren Fortgang des Abenteuers. Er erzählte ihm, dass die zweite Figur tatsächlich in der Nacht angeliefert worden sei und er das Kennzeichen des Transporters fotografiert und alles der Polizei gemeldet habe. Letzteres war zwar gelogen, stellte aber Bill zufrieden, der sich mit Genuss über sein
Tirami su
hermachte.
    Laura nutzte die Gelegenheit, ihrer Gruppe zu erzählen, dass Venedig gleichsam die Wiege des guten Essens und der Tischkultur sei. Als gebürtige Venezianerin konnte sie dabei ihren Stolz nicht ganz verhehlen, wie Mark schmunzelnd feststellte. Das Tirami su sei eine uralte venezianische Spezialität, berichtete sie. Wie ja auch der im Tirami su enthaltene Kaffee seinen Weg aus Arabien erst über Venedig nach Europa gefunden habe. Das erste Kaffeehaus überhaupt habe es in Venedig gegeben.
    Ebenso wie den Kaffee hätten die

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