Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)
Feinsten, und das Perlhuhn in Mandelsauce echt super. Ganz zu schweigen vom Wein, aber das ist ja bei Rudolf schon berufsbedingt selbstverständlich.«
»In der Himbeercreme war entschieden zu viel Gelatine drin!«, bremste Laura Marks Begeisterung und bog nach rechts über eine kleine Brücke ab. »Und seine Herzlichkeit ist wohl der blanke Hohn. Erst lässt er dich entführen, und jetzt spielt er deinen lieben Bruder.«
Mark überging Lauras Bemerkung. »Sein Palazzo ist jedenfalls sehr eindrucksvoll. Ich hab noch nie in einem Zimmer mit so hohen Räumen geschlafen.«
»Kein Kunststück, mit deinem Geld lässt sich’s gut leben«, erwiderte Laura. »Außerdem hat er mich ständig angebaggert, das geht mir auf den Geist.«
»Na ja, so schlimm war’s auch wieder nicht. Ich fand’s witzig. Er hält dich eben für eine tolle Frau. Weiß auch nicht, wie er darauf kommt.«
Laura blieb stehen, stemmte die Arme in die Hüften und deutete mit dem Kopf auf den direkt angrenzenden Kanal. »Noch so eine blöde Bemerkung, und ich werfe dich in den Rio Mocenigo.«
Mark stellte die Reisetasche ab und blickte skeptisch auf das trübe Wasser, das ölig schimmerte und in dem ganz unübersehbar ein toter Fisch schwamm. »Ich fürchte, das überlebe ich nicht, mein Immunsystem ist für diese Kloake zu schwach.« Er hob grinsend die Hände. »Okay, okay, das eben war ein dummer Scherz. In diesem Punkt hat Rudolf ausnahmsweise Recht. Du bist eine wunderbare Frau, schön, begehrenswert, charmant, klug …«
»Du Feigling, du hast nur Angst vor einem Bad im guten venezianischen Wasser.«
»Stimmt, auch das.«
Mark nahm Laura in die Arme und gab ihr einen Kuss. »So, bist du wieder friedlich gestimmt? Lass uns weitergehen.«
»D’accordo, amor mio, andiamo!«
Sie kamen an der Ca’ Mocenigo vorbei, einer der vielen Paläste der Familie Mocenigo, aus der in der langen Geschichte Venedigs gleich sieben Dogen hervorgegangen sind. Über die Calle del Tintor und zwei weitere Brücken gelangten sie zum Palast Fóndaco dei Turchi. Heute ist hier das Naturhistorische Museum untergebracht, im 17. Jahrhundert, während der Blüte des Handels mit dem Orient, hatten dort die Türken ein großes Warenhaus.
Gegenüber der Kirche von San Marcuola warteten sie auf das Traghetto, eine jener Gondeln, die an einigen Stellen über den Canal Grande pendeln und die drei Brücken Ponte dell’Accademia, Ponte di Rialto und Ponte degli Scalzi ergänzen.
Mark setzte sich auf die Reisetasche und knüpfte an das vorangegangene Gespräch an. »Damit wir uns nicht missverstehen, Laura, sein Palazzo beeindruckt mich überhaupt nicht. Meine Bewunderung war ironisch gemeint. Erstens weiß ich sehr wohl, dass er ihn wahrscheinlich meinem Geld zu verdanken hat, zweitens finde ich die Bude ausgesprochen großkotzig, und drittens würde ich lieber im Zelt wohnen als in so einem Prunkgebäude. Von seiner Herzlichkeit lasse ich mich auch nicht mehr blenden, ganz im Gegenteil komme ich mir auf diese Weise erst recht verarscht vor.«
»Na, Gott sei Dank, ich habe schon an deinem gesunden Menschenverstand gezweifelt. Bleibt die Frage, was uns dieses Spiel bringt? Warum tun wir so nett, statt dass wir ihn zur Rede stellen?«
Mark zögerte. »Nun, nachdem wir ihm schwerlich etwas beweisen können, glaube ich weiterhin, dass es vorläufig besser ist, ihn in Sicherheit zu wiegen. Er läuft uns nicht davon.«
»Aber du musst endlich irgendetwas unternehmen, von selbst passiert nichts.«
»Tu ich ja. Übermorgen fliege ich nach London und treffe mich mit dem ehemaligen Galeristen meines Vaters. Ich hoffe von ihm zu erfahren, was mit all den Bildern meines Vaters geschehen ist, die aus seinem Atelier verschwunden sind. Sie müssen ja auf dem Markt aufgetaucht sein. Vielleicht können wir die Spur zu Rudolf zurückverfolgen.«
»Gut, das wäre dann der erste Nagel für seinen Sarg«, stellte Laura zufrieden fest.
Währenddessen hatte die Gondel angelegt. Auf der anderen Seite des Canal Grande angelangt, liefen sie durch das Sestiere Cannaregio. Laura erzählte, dass sie in diesem Stadtteil aufgewachsen und es nicht mehr weit zum Haus ihrer Eltern sei.
»Bist du schon nervös?«, fragte sie ihn lachend.
»Nein, sollte ich? Hast du einen so despotischen Vater?«
»Babbo? Nein, er ist lieb, aber meine Mutter ist sehr kritisch. Sie hat bisher jeden Freund von mir abgelehnt.«
»Auch Guido?«, ließ Mark einen Versuchsballon los, um endlich herauszubekommen, ob
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