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Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Titel: Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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chinesische Erfindung.«
    »Das ist durchaus umstritten. Aber selbst wenn, wäre ihr Import immerhin unserem Marco Polo zu verdanken. Nein, das
Ciao
hat seine Wurzeln hier in Venedig. Die Venezianer haben früher als übertriebene Höflichkeitsfloskel
Schiavo vostro
gesagt, in dem Sinne wie: Ich bin Ihr Sklave. Aus diesem traditionellen Gruß ist zunächst im venezianischen Dialekt das verkürzte
Sciao
und später das heutige
Ciao
entstanden.«
    »Ich bin Ihr Sklave? Vielleicht sollte ich diesen Gruß nicht mehr verwenden.« Erneut sah Mark auf die Uhr. »Meinst du, er versetzt uns?«
    »Glaube ich kaum. Entspanne dich! Was kann uns Besseres passieren, als hier im Caffè Florian zu sitzen. Wir befinden uns sozusagen in bester Gesellschaft. Hier haben schon ganz andere ihre Zeit totgeschlagen, der alte Richard Wagner zum Beispiel, Proust, Nietzsche, Ruskin, Thomas Mann, Byron, Henry James.«
    »Alles ziemlich kaputte Typen. Manchmal glaube ich, dass Venedig eine Stadt für Menschen ist, die ihr baldiges Ende herbeisehnen …«
    »Wer sehnt sein baldiges Ende herbei?«, fiel Rudolf, der unbemerkt an den Tisch gekommen war, Mark scherzend ins Wort. Er gab Laura zwei Küsschen auf die Wangen. »Buona sera, bellezza. Hallo, Mark, wie geht’s?«
    »Gut geht’s, schön, dass du da bist, setz dich.« Mark nahm seine Jacke vom freien Stuhl. »Wir freuen uns schon sehr auf deine kleine Hütte.«
    »Ihr werdet Augen machen.« Rudolf lehnte sich selbstzufrieden zurück, entnahm einem ledernen Etui eine große Zigarre und zündete sie an. »Laura, du siehst immer bezaubernder aus. Kann man dich eigentlich auch ganz privat für eine Fremdenführung in Venedig buchen?«
    »Natürlich, aber was hat das mit meinem Aussehen zu tun?«
    »Ich kann dich nur warnen«, sagte Mark zu Rudolf, »Lauras Programm ist sehr kulturlastig, überaus anstrengend und nur etwas für hart gesottene Bildungsbürger. Ich habe mich dieser Strapaze bereits unterzogen, mir brummt jetzt noch der Kopf.«
    »Erstens, wie kommst du darauf, dass ich nicht an Kultur interessiert bin? Und zweitens kann man ja vielleicht ein alternatives Programm buchen.« Rudolf zog genussvoll an seiner Zigarre. »Zum Beispiel das Venedig der Sünde und verbotenen Leidenschaften. Mit persönlicher Betreuung durch eine der schönsten Töchter der Serenissima.«
    »Kommt darauf an, was du unter persönlicher Betreuung verstehst«, entgegnete Laura mit einem vieldeutigen Lächeln. »Und herzlichen Dank für das Kompliment.«
    Mark sah Rudolf grinsend an und hob den Zeigefinger. »Also, wenn Laura diese Führung wirklich in ihr Repertoire aufnehmen sollte – übrigens eine reizvolle Anregung –, dann, mein lieber Rudolf, werde ich sie als Erster und Einziger ganz exklusiv für mich buchen.«
    »Schade, war ja nur so eine Idee.«
    Rudolf winkte einen Ober herbei und bestellte eine Flasche Prosecco. Laura und Mark protestierten, aber Rudolf ließ sich nicht davon abbringen, dass man auf diesen schönen Tag und den bevorstehenden Abend anstoßen müsse. Dann erzählte er ihnen voller Stolz von seinem Palazzo, den sie gleich kennen lernen würden. Im nächsten Monat plane er ein rauschendes Fest, einen Maskenball wie im Carnevale des 18. Jahrhunderts. All seine Geschäftsfreunde und seine Bekannten aus Deutschland lade er dazu ein. Mark konnte es sich nicht verkneifen, Rudolf bewundernd auf seinen verschwenderischen Lebensstil und seine schier unerschöpflichen finanziellen Möglichkeiten anzusprechen. Dabei ignorierte er Lauras Fußtritt unter dem Tisch. Rudolf entging der spöttische Unterton, vielmehr rühmte er umgehend seine herausragenden Leistungen als Unternehmer, die ihm ein Leben in Saus und Braus erlaubten. Geld sei für ihn nie ein Problem gewesen, er habe immer glänzende Geschäfte gemacht, verfüge, wie man so sage, über ein goldenes Händchen und eine sichere Nase.
    Mark hörte Rudolf mit großen Augen zu. So viel Unverfrorenheit musste man erst mal aufbringen. Geld sei für Rudolf nie ein Problem gewesen? Berücksichtigt man die Dreistigkeit seiner Beschaffungsmethoden, dann hatte er vielleicht sogar Recht!
    »Als Nächstes möchte ich mir ein eigenes Weingut kaufen«, erzählte Rudolf großspurig. »Ich hatte schon mal eines im Piemont. Leider habe ich es vor zehn Jahren veräußert.«
    Weil dir Hasardeur wahrscheinlich wieder einmal das Wasser bis zum Hals gestanden hat, dachte Mark.
    »Aber ich will nicht so ein Allerweltsweingut, sondern eine Spitzenadresse,

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