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Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Titel: Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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aus geht? Und wie hängt das alles mit Alessandro und Marks Entführung zusammen?«
    »Nein, Guido, wir sind nicht überrascht«, antwortete Laura. Dann erzählte sie ihm von Rudolfs Telefonnummer, die in Alessandros Handy gespeichert war, von den Briefen, die Mark gefunden hatte und die Rudolf als hemmungslosen Glücksspieler beschrieben, vom Selbstmord seiner Mutter und den verschwundenen Gemälden seines Vaters. Mark schilderte, wie die Lösegeldübergabe vonstatten gegangen war und dass es für Rudolf ein Leichtes gewesen sei, die Polizei ins Bockshorn zu jagen. Und er erzählte, dass Rudolf zurzeit des Mordes an Alessandro auf Geschäftsreise in Italien war.
    »Ist ja toll, einen netten Bruder hast du!«, stellte Guido fest.
    »Ich wäre dir dankbar, wenn wir uns darauf verständigen können, dass er mein Halbbruder ist«, sagte Mark.
    »Egal«, erregte sich Guido, »könnt ihr mir mal verraten, worauf wir noch warten. Warum sitzt das Schwein nicht längst hinter Gittern?«
    »Weil man ihm so ohne weiteres nichts beweisen kann«, antwortete Laura. »Mark will Rudolf zunächst in Sicherheit wiegen. Deshalb waren wir ja auch gestern Abend und heute Vormittag mit ihm zusammen und haben gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Leider hat Rudolf auch unter Alkoholeinfluss keine unbedachte Äußerung getan, die uns weiterhelfen würde.«
    Mark nickte bestätigend. »Aber ich habe bei einem Besuch in München festgestellt, dass Rudolf längst nicht so souverän ist, wenn man ihn provoziert. Es hat schon gereicht, dass ich das Gespräch auf unsere Mutter gelenkt habe, und er ist völlig ausgeflippt.«
    »Dann solltet ihr in Zukunft vielleicht nicht ganz so lieb sein.«
    »Da hast du wahrscheinlich Recht«, entgegnete Mark, »aber die Provokation will gut überlegt sein. Als Nächstes werde ich einige Nachforschungen anstellen. So werde ich übermorgen nach England fliegen und die Spur der verschwundenen Gemälde aufnehmen, die uns hoffentlich zu Rudolf führen wird.«
    Guido zupfte nachdenklich am Ohrläppchen. »Vielleicht habt ihr gar nicht so Unrecht. Und wahrscheinlich könnt ihr in der jetzigen Phase tatsächlich eher etwas herausfinden als die Polizei. Passt aber auf euch auf, der Typ ist unberechenbar. Übrigens, möglicherweise kann ich bei den Bildern helfen. Geraubte Kunst fällt ja in meinen Bereich. Ich brauch nur einige Anhaltspunkte, dann kann ich mal meine Kontakte spielen lassen.«
    »Gerne«, meinte Mark. »Hoffentlich bring ich in London was raus. Der Galerist meines Vaters müsste eigentlich sagen können, was aus den Bildern in Vaters Atelier geworden ist. Noch wissen wir ja nicht mal sicher, dass sie entwendet wurden. Und erst recht nicht, dass es Rudolf war.«
    Guido hakte sich bei Mark und Laura unter. »Keine Sorge, er war es, da bin ich mir absolut sicher.«

46
    E s war in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages. Der Himmel war bewölkt, es regnete leicht, das gedämpfte Licht hatte einen fahlen Schleier über Venedig gelegt. Am Anlegesteg Arsenale warteten einige Studenten mit Rucksäcken auf das nächste Vaporetto. Gegenüber dem Canale di San Marco war die Klosterkirche San Giorgio Maggiore zu sehen. Linker Hand führte der Rio dell’Arsenale in den Campo, wo einst die mächtigste und größte Schiffswerft der Welt ihren Sitz hatte. Selbst heute, in der Zeit moderner Fließbandfertigung, erscheint es unvorstellbar, dass im 15. und 16. Jahrhundert in nur wenigen Stunden ein komplett mit Rudern und Kanonen ausgestattetes Kampfschiff gebaut werden konnte. Die venezianischen Trireme sicherten der Seemacht ihren Herrschaftsbereich.
    Von der Leistungsfähigkeit der Werft und Waffenschmiede Arsenale konnten sich Ende des 14. Jahrhunderts die Genueser auf unliebsame Weise überzeugen. Vor dem istrischen Pula hatte die genuesische Flotte die Venezianer vernichtend geschlagen und die Flotte der Lagunenstadt fast vollständig zerstört. Die Genueser eroberten kurz darauf Chioggia, machten dann aber den entscheidenden Fehler, dass sie den direkten Angriff auf Venedig hinauszögerten. Die kurze Zeitspanne genügte den Venezianern, im Arsenale vierunddreißig neue Kampfschiffe herzustellen. Als dann der Gegenangriff Venedigs mit einer komplett neuen, scheinbar aus dem Nichts entstandenen Flotte erfolgte, mussten sich die überraschten Genueser nach verlustreichen Kämpfen, bei denen auch ihr Befehlshaber Ambrosio Doria ums Leben kam, ergeben.
    Die Studenten standen müde und wortkarg auf dem Kai

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