Vereint
Dean hat mich schon ins Bild gesetzt. Würde es dir was ausmachen, wenn ich hier bei dir bliebe, Blaire? Nan kann mich nicht ausstehen, und von wütenden Menschen halte ich mich gern fern.«
»Sie muss sich anziehen, und ich bin mir sicher, sie …«
»Ja, gern. Ich schnappe mir nur schnell was aus meinem Koffer und zieh’s mir über. Dauert keine Minute«, schnitt ich Rush das Wort ab. Ich konnte Menschen normalerweise gut einschätzen, und Harlow mochte ich auf Anhieb. Sie wirkte fast schüchtern, sprach leise und ruhig und hatte einen freundlichen Blick. Und sie machte Rush keine schönen Augen. Das fand ich doch schon mal sehr sympathisch!
»Bist du dir sicher? Ich wollte dir was zu essen hochbringen lassen und …«
»Na, das klingt doch gut! Lass für Harlow bitte auch was hochschicken«, sagte ich, bevor er noch weiter ausholen konnte.
Harlow lachte, und ich fuhr zusammen und sah sie an. »Sorry«, meinte sie. »Es ist nur so, dass ich Rush so noch nie erlebt habe, er ist ja komplett anders drauf als sonst! Echt witzig, ihn zu beobachten.«
Ganz klar, ich mochte sie. »Los, Rush, geh jetzt mal besser runter, bevor sich Nan noch auf die Suche nach dir macht. Ich kann auf eine Begegnung mit ihr gut und gern noch verzichten.«
Rush, der Nan nicht in meiner Nähe haben wollte, solange sie in dieser Laune war, nickte und ging zur Tür.
Sobald er draußen war, bedeutete ich Harlow, doch hereinzukommen. »Wie gesagt, ich zieh mir nur schnell was über, okay? Mach’s dir gemütlich!«
»Danke. In Rushs Zimmer war ich noch nie. Normalerweise bleibe ich in meinem Zimmer und lese. Aber als Dean mir von dir erzählte, hat mich die Neugierde gepackt«, gestand sie mit einem scheuen Lächeln.
»Ich bin auch neugierig, was dich angeht. Ich wusste nämlich gar nicht, dass Kiro noch eine Tochter hat. Die, die ich kenne, finde ich nicht so prickelnd. Ihr zwei könntet nicht verschiedener sein.«
Einen Augenblick wirkte Harlow traurig. »Ich bin ja auch vollkommen anders groß geworden als Nan. Meine Großmama hätte mir das Fell gegerbt, wenn ich mich so aufgeführt hätte, wie Nan es tut. Ich durfte nicht so herrisch sein oder solche Wutanfälle kriegen wie sie. Großmama hat zugesehen, dass ich mich immer gut benahm. Ich glaube, deshalb hat Daddy mich auch gern zu sich geholt. Ich bin ihm nicht in die Quere gekommen, wenn ich hier war. Meistens habe ich in meinem Zimmer gesessen und gelesen. Wenn er Zeit für mich erübrigen konnte, hat er mich geholt, und wir sind ins Kino gegangen oder in einen Vergnügungspark. An sich aber habe ich bei meiner Großmama in South Carolina gelebt.«
Aha, daher ihr Südstaatenakzent! »Ich bin in Alabama aufgewachsen. Ich habe mich schon über deinen Akzent gewundert«, gestand ich.
Sie lächelte. »Das geht den meisten so. Niemand rechnet damit, dass Kiros Tochter so ein Landei ist.«
Ich nickte, denn sie hatte recht. Bei dem berühmten Vater und einem Namen wie Harlow hätte man eigentlich ein verwöhntes Mädchen erwartet, das sich für Wunder was hielt. Doch auf sie traf beides nicht zu. Ich zog ein Sommerkleid aus meinem Koffer. Jetzt, wo mein Bauch zu groß für meine Jeans wurde, trug ich öfter Kleider.
»Bin gleich zurück«, erklärte ich Harlow und eilte zum Umziehen ins Badezimmer.
K iro stand mit nacktem Oberkörper da und fuchtelte mit den tätowierten Armen herum, in der einen Hand eine Zigarette und in der anderen eine Flasche Rum. »Was zum Teufel ist dein Problem?«, brüllte er gerade, als ich ins Zimmer kam. »Scheiße noch mal, wenn du Probleme mit deiner Mutter hast, dann zick doch gefälligst Georgianna an! Wieso muss ausgerechnet ich diesen ganzen Mist abkriegen?« Auf dem Pooltisch lag ein schwarzer Spitzenslip, aber die Frau, mit der ich ihn vor ein paar Stunden verlassen hatte, war nirgends zu sehen. Kein Wunder.
»Rush! Hör ihn dir an! Er macht sich nichts aus mir. Es ist ihm egal, dass er sich den Großteil meines Lebens nicht um mich gekümmert hat, und weißt du, dass er noch eine Tochter hat? Irgend so eine verklemmte Tussi, die mich nicht mal anguckt!« Nan kreischte noch immer.
Ich ging zu ihr und ergriff ihre Hände. »Jetzt hol mal tief Luft, Nan. Du musst dich beruhigen, damit wir alle miteinander reden können. Bringt ja überhaupt nichts, wenn du hier rumbrüllst.«
Sie funkelte mich an, gehorchte aber. Ich wartete, bis sie ein paarmal tief Luft geholt hatte, und drückte ihr dann die Hände. »Gut. Und jetzt setzt du dich da aufs
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