Vereist (German Edition)
würde.
»Gibt’s was Neues?«, fragte Patrick seinen Deptuy Tim Reid, der gerade vorbeikam. Der Deputy genoss die ganze Aufregung. Sein breites Milchgesicht strahlte, aber er schüttelte den Kopf und schaute dann ein klein wenig nüchterner drein. Wenn das Team sich gemeldet hätte, wäre der Deputy sofort damit herausgeplatzt, das wusste Patrick. Die Frage hatte er sich dennoch nicht verkneifen können. Vom Warten wurde der Klumpen in seinem Magen noch größer. Der letzte Kontakt mit dem Team lag zwei Stunden zurück. Jim hatte seine GPS-Koordinaten durchgegeben und nach dem aktuellen Wetterbericht gefragt. Patrick sagte ihm, sie müssten mit Schnee und Eis rechnen, aber das hatten sie ja bereits zu Beginn des Einsatzes gewusst. Die Verbindung war schlecht gewesen, Jims Stimme abwechselnd lauter und leiser geworden. Bei der Menge an Funklöchern in den Kaskaden konnte es gut sein, dass Collins erst wieder gegen Ende des Einsatzes von seinem Team hörte, wenn es schon fast wieder im Basislager war. Untereinander konnten seine Leute sich vermutlich verständigen, aber die vielen hohen Gipfel und tiefen Täler würden den Kontakt mit der Außenwelt erschweren, wenn nicht gar verhindern.
Bei wie vielen Einsätzen hatte er voller Anspannung ewig auf eine Nachricht von seinen Leuten gewartet? Patrick vermisste es,mit der Truppe unterwegs zu sein – mitten im Geschehen, das Prickeln des Adrenalins in den Venen. Ihm fehlte das Gefühl, etwas tun zu können. Jetzt war er das Hirn und der Mund der Rettungseinsätze im Madison County und machte seine Sache gut.
Trotzdem hatte er Sehnsucht nach dem Schlachtgetümmel.
Er schaute zum hundertsten Mal auf die Landkarte und versuchte abzuschätzen, wo sich das Team in diesem Augenblick befand. Das hing ganz vom Terrain ab. Wahrscheinlich wurden seine Leute von Erdrutschen und durch weggespülte Pfade behindert. Und dann gab es noch die Flussüberquerungen. Am liebsten hätte er Brynn vorgeschlagen, auf den Einsatz zu verzichten. Aber dann hätte sie seinen Allerwertesten zum Frühstück in die Pfanne gehauen.
Sie war der sturste Mensch, den er kannte. Selbst von ihrer verständlichen höllischen Angst vor dem Wasser ließ sie sich nicht bremsen.
Ein weiterer Wagen fuhr auf die Lichtung. Seufzend betrachtete Patrick den schwarzen Suburban. Zwei Männer stiegen aus. Sie trugen Anzüge unter den langen Mänteln. Eindeutig keine Reporter.
Federal Marshals?
Seine Vermutung bestätigte sich, als der größere Mann dem Deputy an der Absperrung einen Dienstausweis unter die Nase hielt. Der Deputy wandte sich um und zeigte auf Patrick. Beide Männer gingen auf ihn zu. Dabei schlugen sie Bögen um die Pfützen. Der zweite ließ einen Schirm aufschnappen und hielt ihn über ihre Köpfe. Er war der Jüngere der beiden. Der erste und offenbar ranghöhere Agent hatte silbergraues Haar. Als er näher kam, stellte Patrick fest, dass er nicht das faltige Gesicht eines alten Mannes hatte. Patrick korrigierte seine Altersschätzung um zehn Jahre nach unten – näher in Richtung seiner eigenen fünfzig. Vielleicht war der Mann sogar jünger. Als der Agent vor ihm stand, hob er seinen Ausweis und erwiderte Patricks Blick mit stechender Schärfe. Seine Augen waren blassblau, fast farblos. Patrick hatte Mühe, nicht fasziniert hinzustarren.
»Paul Whittenhall. United States Marshals. Und das ist Deputy Marshal Stewart. Irgendwo in diesen Bergen ist mein Flugzeug. Haben Sie es schon gefunden?«
Direkter und plumper ging es kaum. Patrick verzog das Gesicht. Vor ihm stand der zungenfertige und hartnäckige Agent, mit dem er telefoniert hatte. »Patrick Collins. Bislang habe ich noch keine Nachricht von meinen Leuten.« Er legte eine kleine Pause ein. »Schön, dass Sie nun auch da sind«, setzte er dann demonstrativ hinzu.
Whittenhalls Augenbrauen hoben sich. »Sie haben uns erwartet?«
Sein Ton löste bei Patrick Stirnrunzeln aus. »Ich dachte mir, dass Sie heute irgendwann herkommen würden.«
Die Marshals tauschten einen verdutzten Blick aus.
»Wer hat Ihnen gesagt, dass wir kommen?«, fragte Whittenhall.
Collins blinzelte. »Niemand. Aber nach unserem Telefongespräch am Morgen nahm ich an, dass jemand aus Ihrem Büro hier auftauchen würde.«
»Telefongespräch? Heute Morgen?« Die scharfen Augen verengten sich. »Sie haben mit jemandem aus meinem Büro gesprochen?«
»Ja. Mit Ihnen.« Leichtes Unbehagen kroch über Collins’ Rücken. »Sie sind doch Whittenhall, oder? Sie haben
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