Vereist (German Edition)
Rücken die Wand des Flurs berührt hatte. »Also normalerweise finden alle immer problemlos in ihr Zimmer zurück. Die Bewohner hier wandern zum Glück selten ziellos herum.« Darrin legte ein leichtes Zittern in seine Stimme und leckte sich die Lippen. Er hatte nicht geglaubt, dass Kintons Blick noch versengender werden könnte. Aber er hatte sich getäuscht.
Darrin fing an zu schwitzen. Ein gutes Gefühl.
»Einen Tag vorher war Rosa gestorben, und Sie haben die Bewohner nicht im Auge behalten? Sie sind nicht aufgestanden und haben nachgesehen, was es mit den Geräuschen auf sich hat? In diesem Heim sind zwei Leute umgekommen! Glauben Sie nicht, Sie hätten ein bisschen aufmerksamer sein sollen?«
Darrin hatte sich gefühlt, als müsste seine Wirbelsäule schmelzen. Kinton hatte das Testosteron regelrecht ausgedampft. Schnüffelnd hatte Darrin die Augen niedergeschlagen. »Ich habe mir wohl einfach nicht genug Gedanken gemacht.«
»Aber genau dafür werden Sie bezahlt! Die Leute hier brauchen eine sorgfältige Betreuung«, hatte Kinton zähneknirschend gezischt.
Aus Furcht, er könnte nicht betroffen genug wirken, hatte Darrin die Augen zugekniffen. Gleichzeitig hatte er sich in der heißen Welle aus Emotionen gesuhlt. Diese Konfrontation löste intensivere Gefühle in ihm aus als alles, was er bisher erlebt hatte.
Normalerweise fühlte Darrin sich wie ausgehöhlt – wie in einem tiefen Vakuum. Er spürte nichts. Nie. Andere Leute kamenmit etwas zur Welt, das ihm fehlte. Mit irgendeinem Hormon oder ein paar besonderen Synapsen. Aber er hatte schon als Kind gewusst, dass mit ihm etwas nicht stimmte.
Dann hatte er seine kleine Cousine sterben sehen und damit ein Mittel gegen seine Gefühllosigkeit gefunden. Er hatte mit ihr zusammen im Pool geplanscht und einfach zugeschaut, wie sie ertrank. Der Rausch beim Anblick der allerletzten Luftblasen war der Einstieg in seine Sucht gewesen. Genau das und noch mehr hatte er in den kommenden Jahren bei seinen Opfern gesucht, sich bei ihnen die nötige Dosis geholt. Gierig hatte er ihr Entsetzen in sich aufgesaugt, wenn er ihnen eigenhändig die Lebensgeister aus dem Körper quetschte. Aber Alex Kinton verschaffte ihm dasselbe prickelnde Hochgefühl, ohne dass er in irgendeiner Weise Hand an ihn legen musste.
»Es tut mir so unendlich leid. Es ist alles meine Schuld. Vielleicht könnte Ihr Bruder noch leben, wenn ich nicht so müde gewesen wäre.« Darrin hatte langsam die Augen geöffnet, den Blick Stück für Stück vom Boden nach oben gelenkt und sehnsüchtig auf die nächste Reaktion gehofft.
Aus Alex’ Gesicht war die Farbe gewichen. Er kniff die blutleeren Lippen zusammen, und seine Augen weiteten sich unmerklich. Darrin hielt den Atem an. Es schien, als könnte Alex jeden Moment ohnmächtig zusammenklappen. Aber der Agent hatte auf dem Absatz kehrtgemacht, war den Flur entlang marschiert und durch die Eingangstür verschwunden. Darrin hatte sich an zwei Bewohnern vorbeigedrängt und war zum Fenster im Wohnzimmer gestürzt, um ihn zu beobachten. Draußen in der heißen Sonne hatte Alex die Hände auf die Motorhaube seines Trucks gestützt und zwischen seinen Armen hindurch auf dem Asphalt gestarrt. Er hatte ausgesehen wie ein Mann, der sich von einem langen Lauf erholen oder wie jemand, der sich übergeben muss. Darrin zählte langsam bis zehn, aber Kinton rührte sich nicht.
Dann hatte er sich plötzlich aufgerichtet und einen langen Blick über die Schulter auf das Pflegeheim geworfen. Darrin hatte sich mit einem schnellen Schritt nach rechts hinter der Gardineversteckt. Hatte Kinton gemerkt, dass er ihn anstarrte? Kintons Blick war zu dem Tor hinten im Garten gewandert und zu dem Pool auf dem Nachbargrundstück. Dann waren seine Schultern plötzlich nach vorn gesackt. Unwirsch hatte er die Wagentür aufgerissen, war eingestiegen und davongefahren.
Darrin hatte ausgeatmet und sich plötzlich völlig erschöpft gefühlt.
Dank Alex Kinton hatte er gerade eine emotionale Achterbahnfahrt erlebt, gegen die die Space-Mountain-Bahn ein Kinder-karussell war. Alex riss ihn höher hinauf als jeder andere Mensch. Und schneller. Darrin konnte die nächste Fahrt kaum erwarten.
Sicher würde Kinton bald zurückkommen.
Das hatte Alex tatsächlich getan. Aber nur, um sich Darrins weggeworfenen Zigarettenstummel für einen DNA-Test zu holen.
Direkt an Samuel oder Rosa hatte Darrin keine DNA hinterlassen. Aber an Kimberly Brock, Susan Mannon, Claire Hines und einigen
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