Vereist (German Edition)
anderen. Er wusste, dass es nahezu unmöglich war, das immer zu vermeiden. Darrin hatte getan, was er konnte, und immer darauf vertraut, dass der beste Schutz war, sich niemals testen zu lassen, damit keine Vergleichsdaten vorlagen. Aber wegen einer computerisierten Datenbank und einer Zigarette konnte man ihn plötzlich mit einigen seiner Opfer in Verbindung bringen.
So einfach war das gewesen. Er war durch ein Beweisstück aufgeflogen, das jeder regelmäßige Zuschauer einer beliebigen
CSI-
Sendung hätte entdecken können. Warum war er so nachlässig gewesen? Zwanzig Jahre lang war er der Polizei zwischen den Fingern hindurchgeglitten. Und jetzt brach ihm etwas derart Triviales das Genick.
Wie einstmals Al Capone.
Der Tag von Darrins Verhaftung hatte begonnen wie jeder andere. Aber noch vor dem Frühstück war plötzlich eine ganze Polizeieinheit aufgetaucht. Und Alex als stummer Beobachter. Er hielt sich zurück, um die Cops nicht zu behindern, wartete unter einem Baum in der Einfahrt.
Als die Cops Darrin in Handschellen den Weg entlanggezerrt hatten, hatte er Alex im Vorbeigehen zugezwinkert.
Eines Tages hatte Alex ihn dann im Gefängnis besucht. Das war Darrins Idee gewesen. Er hatte dem Marshal ausrichten lassen, wenn er sich mit ihm träfe, könnte das von Vorteil für die Familien der anderen Opfer sein. Alex war zu ihm gefahren und hatte vermutlich gehofft, er würde den Mord an Samuel gestehen. Dank der modernen Kriminaltechnik konnte man ihm inzwischen viele seiner Verbrechen nachweisen. Aber es gab noch andere, von denen die Polizei nichts wusste. Damit Alex immer wieder kam, verriet Darrin ihm Namen, Daten und Orte. Alex gab alles an die Detectives weiter. Aber Darrin fütterte ihn immer nur mit winzigen Informationshäppchen.
Zum Glück ließ Alex trotzdem nicht locker, und Darrin genoss jede Minute mit ihm. Er weidete sich an der Trauer und dem Zorn des Agenten. In gewisser Weise wurde Darrin zu Alex’ persönlichem Therapeuten. Darrin wollte wissen, wie Alex tickte. Also brachte er Alex zum Sprechen. Als Gegenleistung für die Informationen über seine Verbrechen ließ er sich von ihm sämtliche Tiefpunkte seines Lebens schildern. Deshalb wusste Darrin jetzt, wie weh es tat, mit einem zurückgebliebenen Bruder aufzuwachsen. Er wusste von der selbstsüchtigen Ehefrau, die Alex gezwungen hatte, zwischen ihr und seinem Bruder zu wählen. Und auch was für ein Arschloch Alex’ Boss war, hatte Darrin irgendwann erfahren.
Quid pro quo. Ein fairer Tausch, Informationen gegen Informationen.
Alex besuchte ihn alle paar Monate. Zeitweise sogar alle vier Wochen. Bei jedem Besuch sah er schmaler und blasser aus als zuvor. So als würde ihn etwas von innen heraus auffressen.
Die Belohnung für das Fleisch, das Alex sich aus der Psyche schnitt und Darrin servierte, waren immer nur Krümel. Doch für Darrin waren die Tage, an denen Alex ihn besuchte, die besten im Knast. Danach zehrte er wochenlang von dem Hochgefühl, das Alex’ starke Präsenz hinterließ.
Darrin rieb die behandschuhten Hände aneinander. Die bittere Kälte nervte ihn. Sein letztes Treffen mit Alex lag Monate zurück,und deshalb war er gereizt. Trotz der absehbaren Flucht war er schlechter Stimmung gewesen, denn er hatte gewusst, dass ihm Alex’ Besuche fehlen würden, wenn er in Mexiko mit einer neuen Identität in einer neuen Welt lebte. Selbst diese rosigen Zukunftsaussichten hatten ihn nicht darüber hinweggetröstet, dass er die Verbindung mit Alex für immer kappen musste.
Irgendein seltsamer Zwang hatte sie beide zusammengeschweißt. Es gab einen zornigen Mann, der Antworten suchte, und einen leeren, der sich nach Gefühlen sehnte.
Brynn hatte keine Tränen mehr. Ihre Wangen waren während des Grabens getrocknet; die anderen Männer ignorierte sie. Die verstohlenen Blicke, die sie einander zuwarfen und mit denen sie sie musterten, spürte sie trotzdem. Sie wusste genau, was sie dachten.
Wie lang sollen wir graben?
Sie schaute auf die Uhr. Sie wühlten seit etwa zwanzig Minuten im Schnee. Das war noch im Rahmen. Sicher hatte Alex einen kleinen Sauerstoffvorrat. Es konnte gut sein, dass er noch atmete.
Ich gebe nicht auf. Ich gebe nicht auf
. Mit neuer Energie stieß sie die eisigen Hände in den Schnee. Ryan ruhte sich schwer atmend auf den Knien aus.
»Mach eine Pause. Dir geht es nicht gut«, befahl ihm Jim.
»Nur ganz kurz.« Ryan war außer Atem und viel blasser als es Brynn lieb war. Aber vermutlich hatte sie selbst
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