Vereist (German Edition)
du bewaffnet?« Jim legte die Handfläche an seine Hüfte.
Alex nickte, machte dieselbe Geste und schnappte sich die Schneeschuhe, die er direkt hinter der Tür des Wracks abgestellt hatte. Mühsam schlang er sich die Bänder um die Stiefel. Jim grinste über Thomas’ Handwerkskunst. »Mit Schnee kennt der Junge sich aus.«
»Wie lang ist er schon in Oregon?« Alex stampfte mit den Füßen und testete, ob die Schneeschuhe richtig saßen. Jim hatte Recht. Thomas hatte gute Arbeit geleistet.
»Etwa drei Jahre. Vielleicht auch vier.«
»Und er stammt eigentlich aus Alaska?«
Jim nickte. »War Cop in den Reservaten. Und ein paarmal im Irak im Einsatz. Seine Frau ließ sich scheiden, während er dort unten war.«
»Im Ernst? Ach du Scheiße.« Sofort empfand Alex tiefes Mitgefühl. Und er hatte gedacht,
seine
Frau würde ihn nicht genügend unterstützen.
»Ich glaube, als Thomas zurückkam, war er nicht mehr derselbe. Er war bei vielen Kampfeinsätzen dabei und geriet in einige ziemlich haarsträubende Situationen. Er und zwei andere Männer wurden zwei Wochen lang als Geiseln festgehalten.«
»Scheiße.« Mehr fiel Alex nicht dazu ein. Eine passende Bemerkung gab es in einem solchen Fall wohl nicht.
»Ja. Er war lang in Behandlung. PTBS.«
»So was steckt einem wahrscheinlich ewig in den Knochen«, sagte Alex bedächtig. Er kannte zwei Agenten, die sich schon lang mit posttraumatischen Belastungsstörungen herumschlugen. Es gab bessere Tage und schlechtere.
»Ist dir aufgefallen, dass sein Parka keine Kapuze hat?«
Alex nickte. Thomas trug einen hohen, dicken Fleecekragen unter der Jacke, aber Alex hatte sich bereits gefragt, wie der Mann die Kälte an den freien Stellen zwischen Kragenrand und Mütze aushielt.
»Während ihrer Gefangenschaft mussten die Männer fast ununterbrochen Kapuzen tragen. Selbst zum Essen durften sie sie nur ein wenig anheben.«
»Scheiße.«
Jim ging voran, den Hügel hinunter. Alex stapfte hinterher. Beide Männer hatten die Handschuhe ausgezogen und die Hände mit den Pistolen in die Taschen gesteckt, damit kein Schnee in die Waffen geriet.
»Eine Mütze trägt er auch erst wieder seit einem Jahr. Er sagt, er friert so gut wie nie und meint, er hätte derart unerträgliche Kälte erlebt, dass ihm die derzeitigen Temperaturen schlimmstenfalls lästig sind.«
»Dann ist dieser Einsatz für ihn wohl ein besserer Spaziergang.«
»Genau.«
Die Männer ackerten sich durch den Schnee. Jim hatte Recht. Immer wieder hörte Alex das leise Geräusch von Schneeklumpen, die aus den Bäumen fielen. Jedes Mal drehte er den Kopf in der Erwartung, Besand dort stehen zu sehen. Inzwischen hatte er die Pistole aus der Tasche gezogen, und seine Hände wurden kalt. Er wechselte die Waffe von einer Hand zur anderen und bewegte die Finger, damit sie nicht taub wurden.
»Was läuft eigentlich mit Brynn?« Alex stolperte. Jims Frage hatte ihn kalt erwischt. Er hatte sich so intensiv mit Thomas und Besand beschäftigt, dass er die angenehme Überraschung beim Aufwachen am Morgen einen Moment lang vergessen hatte.
»Nichts.« Nicht gelogen.
Jim blieb stehen und drehte sich zu ihm um. Seine Brauen zogen sich zusammen, die Furchen um seinen Mund erschienen plötzlich tiefer. »Sie hat einen Freund. Die beiden wohnen zusammen.«
»Ich weiß.«
»Lass sie in Ruhe.«
»Ich habe sie nicht angefasst. Aber warum interessiert dich das eigentlich?«
»Sie ist quasi die kleine Schwester meiner Frau.«
»Und du bist der große Bruder, der sie auf Schritt und Tritt bewacht? Kann sie nicht für sich selber denken?«
»Normalerweise schon. Aber ich habe gesehen, wie sie dich anschaut. Aus irgendeinem seltsamen Grund bewundert sie dich und war völlig aufgelöst, als wir dich gestern nicht gleich gefunden haben.«
»Das wäre bei jedem von euch auch der Fall gewesen.«
Jim nickte erst, dann schüttelte er unwirsch den Kopf. »Nein. Das hier ist anders. Sie weiß nicht, wer oder was du bist. Oder sollte ich sagen, was du
nicht
bist?«
»Du meinst, weil sie die Wahrheit über mich nicht kennt, habe ich ihre Sympathie nicht verdient?«
»Pass lieber auf, dass du ihre Sympathie nicht zu etwas anderem verbiegst.«
»Das wäre gar nicht möglich. Sie ist eine erwachsene Frau, Jim. Und eine ziemlich vernünftige, wie ich glaube.«
»Schön wär’s.« Jim klappte den Mund zu und wurde vor Verlegenheit rot. Alex’ Augenbrauen hoben sich.
»Was soll das denn nun wieder heißen? Soweit ich das beurteilen
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