Verflixtes Blau!
Berthe jedoch war von Anfang an unter den Impressionisten anerkannt gewesen und hatte bereits mit jedem von ihnen Seite an Seite gemalt. Abends, wenn die anderen sich in die Cabarets und Cafés zurückzogen, um Kunst, Ideen und Theorien zu diskutieren, ging sie nach Hause, saß bei den anderen Frauen, wie es sich gehörte, trotz des Umstandes, dass sie, wie Manet gesagt hatte, die Beste von allen war. Bleu hatte die Kunst mit Berthes Augen gesehen, und außerdem hatte sie Berthe mit Manets Augen gesehen, in seinen Bildern. Er hatte Berthe verehrt, bevor sie von Bleu besessen war und danach. Er hatte alles dafür getan, dass Berthe seinen jüngeren Bruder Eugène heiratete, nur um in ihrer Nähe sein zu können– unauffällig und unverfänglich. Sie die feine Dame, er der feine Herr der Gesellschaft. Erst als Berthe von Bleu besessen war, konnte sich Manets Leidenschaft in Kunst und Liebe manifestieren. Bleu, als Berthe, hatte den Maler an Orte geführt, die er sonst nie gesehen hätte, genau wie jetzt.
Einen Monat verbrachten sie gemeinsam im Süden, malten und lachten und schlummerten im blauen Schatten der Olivenbäume, bis Suzanne den Tee an Édouards Bett brachte.
» Er ist von uns gegangen«, sagte Berthe. » Er malte gerade, da stöhnte er plötzlich auf und war nicht mehr. Es ging so schnell, dass ich nicht mal Zeit hatte, dich zu rufen.«
Suzanne geriet ins Taumeln, Berthe fing das Tablett auf und trug es zur Kommode, dann stand sie wieder an Suzannes Seite.
Sanft löste Berthe die kleine Leinwand aus Manets Hand, verschmierte die Skizze dabei gerade so weit, dass nicht mehr zu erkennen war, wen sie darstellte.
» Er hat deinen Namen gerufen«, sagte Berthe. » Er sagte, er wollte dich malen, und war gerade dabei, da stöhnte er auf und rief deinen Namen– › Suzanne‹.«
» Die Syphilis war gut zu uns«, sagte der Farbenmann.
» Sehr gut«, sagte Bleu.
» Wenn auch unbefriedigend«, sagte er.
» Das ist deine Meinung.«
» Sie ist langsam. Manchmal will man einfach nicht warten, und da ist ein Revolver besser.«
» Ein Revolver ist für uns nicht immer das Richtige, wie du bei Vincent unter Beweis gestellt hast«, sagte Bleu. Da kam ihr in den Sinn, dass eine Waffe sehr wohl das Richtige sein mochte. Was wäre, wenn der Farbenmann das Bild, das Vincent mit Sacré Bleu gemalt hatte, ebenso versteckt hielt wie Manets Akt? Was wäre, wenn er Vincent nur erschossen hatte, um zu verhindern, dass sie erfuhr, wo das Bild geblieben war? Was wäre, wenn er– als sie in Trance war oder eine ihrer Rollen spielte und nicht aufpassen konnte– mal wieder einen neuen Weg gefunden hatte, um sie auszutricksen? Er war auch so schon hinterhältig genug und hatte viel Zeit gehabt, noch hinterhältiger zu werden. Möglicherweise versteckte er seit Jahren Bilder, ohne dass sie etwas davon wusste.
» Du solltest dich langsam fertig machen«, sagte der Farbenmann. Er schloss die Vorhänge und breitete über dem Tisch ein Öltuch aus.
» Wirklich? Du willst es auf dem Tisch tun?«, fragte Bleu.
» Ja. Das ist ein stabiler Tisch. Wieso nicht?«
» Weil du dann auf einem Stuhl stehen musst– auf mehreren Stühlen. Das ist gefährlich. Wir sollten den Diwan nutzen.« Sie fing an, Kissen von der Couch zu sammeln, und als sie das dritte anhob, entdeckte sie einen kleinen, vernickelten Revolver, der im Spalt der Lehne steckte. Eilig legte sie das Kissen zurück, bevor der Farbenmann bemerkte, was sie gesehen hatte. » Oder auf dem Boden«, sagte sie. » Am besten auf dem Boden.«
Sie zog das Öltuch vom Tisch und breitete es zwischen Esszimmer und Salon aus. Als sie sich entkleidete, sagte sie: » Ich habe Gauguin gefunden, den Maler, der mit Vincent in dem gelben Haus in Arles gewohnt hat. Sobald wir das Blau haben, gehört er uns. Er hat eine Schwäche für kleine Polynesierinnen.«
Der Farbenmann streifte seine Jacke ab, dann stieg er aus seinen Schuhen. » Ich habe mich schon gefragt, wieso du ihn ausgesucht hast. Es gibt da noch einen anderen Maler, der von mir Farbe gekauft hat. Er heißt Seurat, allerdings ein Theoretiker. Könnte sein, dass er langsam ist.«
» Gauguin wird sicher schnell sein. Er hatte schon eine Vorstellung davon, was er malen wollte, bevor er diesem Mädchen begegnet war.«
» Gut, dann müssen wir nur noch hinter dir aufräumen, ja?« Inzwischen war der Farbenmann nackt, bis auf einen Lendenschurz aus zerlumptem Leinen. Mit dem krummen Rücken und den spindeldürren, verwachsenen
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