Verflixtes Blau!
bringen, das Morphium zu nehmen.«
» Ich habe gehört, er empfängt keinen Besuch.«
Suzanne lächelte. » Nein, aber dich wird er empfangen. Komm mit.«
Bevor sie das Schlafzimmer betraten, drehte sich Suzanne zu Berthe um und flüsterte: » Er ist totenbleich, aber lass dir deine Sorge nicht anmerken.«
Berthe tat den Gedanken mit einem Nicken ab. Suzanne öffnete die Tür.
» Édouard, sieh nur, wer da ist. Berthe.«
Manet richtete sich mühsam im Bett auf, und trotz der schmerzhaften Anstrengung lächelte er.
» Berthe!« Mehr sagte er nicht.
Freude glitzerte in seinen Augen, und bei diesem Anblick kamen Suzanne die Tränen. Sie drückte seine Hand und wandte sich ab. » Ich gehe uns einen Tee holen«, sagte sie, eilte hinaus, schloss die Tür, und sobald sie draußen in der Halle war, wurde sie von einem gewaltigen, lautlosen Schluchzen erschüttert.
» Wie geht es dir, Édouard?«, fragte Berthe mit süßem Lächeln, kaum wahrnehmbar. » Ich meine, vom Offensichtlichen mal abgesehen.«
Manet lachte, bis er hustete. » Nun, davon abgesehen, könnte es mir nicht besser gehen.«
» Ich habe dir etwas mitgebracht.« Sie griff in ihre Tasche, einem Beutel aus schwarzem Satin, verziert mit spanischer Spitze, und holte eine kleine Leinwand hervor, einen feinen Zobelpinsel mit kurzem Stiel und eine Farbtube. Das alles legte sie ihm auf die Brust, und hinfällig tastete er danach, als fehlte ihm sogar die Kraft, auch nur den kleinen Pinsel anzuheben. Stattdessen nahm er ihre Hand.
» Du warst die Beste von allen, Berthe«, sagte er. » Du bist immer noch die Beste von allen. Wärst du ein Mann, hingen deine Bilder längst im Louvre. Weißt du das?«
Sie streichelte seine Hand, dann gab sie ihm den Pinsel. Sie stellte die kleine Leinwand auf seine Brust und drückte etwas blaue Farbe darauf. » Das hast du schon mal gesagt. Du kannst dich nicht mehr daran erinnern, den Akt gemalt zu haben, stimmt’s?«
Er sah sie an, gequält, als entglitt ihm sein Verstand bereits. Den Pinsel hielt er wie ein fauliges, fremdes Ding.
» Male mich, Édouard«, sagte sie. » Du bist Manet, der Maler. Also male!«
Und obwohl er protestierte, fing seine Hand doch an, sich zu bewegen, der Pinsel zog Linien über die Leinwand. » Aber ich liege im Sterben.«
» Das ist kein Grund, Liebster. Du bist immer noch der Maler Manet, und der wirst du immer sein. Nun male!«
Er begann, sie zu skizzieren, vom Unterkiefer aufwärts, wobei der weiche Pinsel lautlos das cremige Blau auftrug, während ihr Gesicht auf der Leinwand Gestalt annahm. Sie machte es ihm nicht leicht, denn ihr Lächeln wurde immer strahlender, sodass er die Skizze ständig überarbeiten musste.
» Arme Suzanne«, sagte Berthe. » Victorine verfolgt sie.«
» Die Leidenschaft, auf die sie eifersüchtig ist, galt der Arbeit, nicht der Frau«, sagte er.
» Ich weiß«, sagte Berthe. Sie wusste es wirklich. Sie war dabei gewesen. Sie selbst war damals Victorine Meurent gewesen, die für diese Bilder Modell gestanden hatte. Als Victorine hatte sie ihn verführt, verzaubert, inspiriert und schließlich umgebracht, denn sie war es gewesen, die ihn mit der Syphilis ansteckte. Aber er hatte Victorine nie geliebt. Als Berthe Morisot hatte sie ihn zur Liebe und zu seinem großartigsten Gemälde inspiriert. Das Gemälde, das nur sie, Manet und der Farbenmann je gesehen hatten. Das Gemälde, das über zwanzig Jahre im Pariser Untergrund versteckt gewesen war.
» Erinnerst du dich jetzt?«, fragte sie, als das Blau zu wirken begann.
» Ja. O ja.«
Sie nahm seine Hand und führte ihn zum Wald von Fontainebleau, wo sie eine Hütte mit einem Sonnenzimmer mieteten, und wenn er sie bei Tage malte, posierte sie auf einer Liege, auf der sie sich auch liebten, die Sonne auf der Haut. Sie führte ihn zu einem kleinen Gasthof in Honfleur, wo die Seine ins Meer floss, und dort tranken sie Wein in einem Café am windstillen Hafen, malten Seite an Seite und spazierten bei Sonnenuntergang über den Strand. Sie führte ihn zu einer sonnigen Villa in der Provence, nahe Aix, und als er sie malte, lächelte sie ihn unter der Krempe ihres weißen Strohhuts hervor an, wobei ihre dunklen Augen wie Edelsteine schimmerten.
Erst zum zweiten Mal war Bleu sowohl Modell als auch Malerin, sowohl Muse als auch Künstlerin. Berthes künstlerisches Talent hatte nichts mit Bleu zu tun. Es war zeitlos und echt. Frauen malten nicht, und wenn sie es doch taten, ernteten sie dafür keine Anerkennung.
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