Verflixtes Blau!
Gliedern sah er aus wie die Kreuzung einer Ratte mit einem Pfifferling. Stellenweise war seine dunkelbraune Haut von schwarzen Borsten überzogen wie bei einem Keiler. Er verteilte vier Kohlepfannen auf dem Öltuch und entzündete in jeder davon ein kleines Feuer. Zu beiden Seiten hatte er runde Tonkrüge aufgestellt, groß wie Granatäpfel, jeweils mit einer Lederkordel um den Hals und einem dicken Korken als Verschluss.
» Es gibt nichts aufzuräumen«, sagte sie. Mittlerweile war auch sie nackt und trat beiseite, während der Farbenmann die letzten Vorbereitungen traf. » Um Vincents Bruder müssen wir uns keine Sorgen mehr machen.«
Langsam drehte sich der Farbenmann zu ihr um, mit einem langen Obsidianmesser, dessen Griff mit irgendeiner gegerbten Tierhaut umwickelt war. » Der Kunsthändler? Du hast den Bruder des Holländers erschossen?«
» Syphilis«, sagte sie. Dann ein Lächeln, das bei diesem nackten Inselmädchen scheu aussah, als es hinter einem Vorhang von hüftlangen Haaren hervorlugte. » Siehst du, es dauert nicht immer lange, aber lange genug, dass man ihnen Fragen stellen kann, bevor sie sterben.«
Der Farbenmann nickte. » Gut, dann müssen wir nur den Bäcker und den Zwerg erschießen, und dann ist alles erledigt.«
» Ja, dann ist alles erledigt«, sagte sie. Verdammt. So hatte sie sich das nicht vorgestellt. Ganz und gar nicht.
» Ich bin so weit«, sagte er. » Leg dich hin.« Er entkorkte einen der Krüge und hängte ihn wie ein Medaillon um seinen Hals.
Sie legte sich rücklings auf das Öltuch und streckte die Arme über ihrem Kopf aus. Der Farbenmann sprenkelte Pulver in die Leuchter, und schwerer, aromatischer Rauch breitete sich in der Wohnung aus. Dann lief er im Zimmer herum, hüpfte auf Stühle und löschte die Gaslampen, bis das Mädchen im trüben Schein der Kohlepfannen kaum noch zu sehen war. Er begann einen Singsang, während er sie umkreiste und das Messer vor ihrem Gesicht schwenkte. Der Singsang bestand nicht aus Worten, sondern aus Rhythmen. Tierlaute, die erst durch das An- und Abschwellen eine Bedeutung bekamen.
» Nicht die Vuvuzela vögeln«, sagte Bleu.
Er stockte in seinem Singsang. » Was, zum Teufel, ist eine Vuvuzela?«
» So heißt das Mädchen. Nicht vögeln.« Manchmal fielen beide in eine derart tiefe Trance, dass Bleu, wenn sie wieder zu sich kam, sicher war, dass man sie missbraucht hatte. Es gab niemals Beweise. Er passte auf und hinterließ keine Spuren sozusagen, aber dennoch hatte sie ihn in Verdacht.
Er sah ein wenig enttäuscht aus. Seine dicken Brauen ragten weiter über die Augen als normal. » Wenn wir hier fertig sind, könntest du sie vielleicht verlassen und ich darf sie erschrecken, ja?«
» Vielleicht. Jetzt mach die Farbe, Farbenmann!«
Er lachte ein keuchendes Husten von einem Lachen und nahm seinen Singsang wieder auf. Die Augen des Mädchens rollten in ihren Kopf zurück, und sie krümmte sich mehrmals zum Singsang des Farbenmannes, dann erstarrte sie mit durchgedrücktem Rücken und blieb so liegen. Nur ihre Schulterblätter und die Fersen berührten noch das Öltuch. Dann begann das Gemälde von Manet zu glühen, ein trübes, pulsierendes Blau, das den ganzen Raum erfüllte.
Der Farbenmann skandierte seinen Singsang, tanzte wie ein verletzter Vogel, das Bild erglühte, und langsam, ganz langsam lief das Mädchen blau an, während sich die Farbe auf ihrer Haut ausbreitete. Selbst der seelenlose Körper Juliettes bekam große Augen, als der Farbenmann die Klinge des schwarzen Glasmessers an die Haut des Mädchens legte und damit begann, das blaue Farbpulver abzuschaben.
Das Messer war scharf, doch nicht so scharf, dass man sich damit hätte rasieren können, und trotz seiner spinnenhaften Unbeholfenheit führte der Farbenmann die Klinge geschmeidig und präzise, schabte das Pulver überall vom Leib des Mädchens, sogar von den Augenlidern, und strich es in den Tonkrug. Er rollte sie auf die Seite und schabte die zarten Rundungen ihres Rückens ab, rollte sie hin und her, bis ihm der Schweiß ausbrach, sodass das blaue Pulver überall an seinen Händen, Füßen und Oberschenkeln klebte. Während der Farbenmann seinen Krug füllte, verblasste Manets Meisterwerk, das so gut wie niemand je gesehen hatte. Das Gemälde– die Leidenschaft, die Qual, die Intensität, das Talent, die Zeit, das Leben, welches Manet hineingesteckt hatte, getrieben von seiner Inspiration… das alles trat als Pulver, als Sacré Bleu, aus der Haut des
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