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Verflixtes Blau!

Verflixtes Blau!

Titel: Verflixtes Blau! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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verfluchte das Blau. Plötzlich nahm er sein Rasiermesser und schnitt sich das halbe Ohr ab. Dann schwenkte er das blutige Ding und rief: › Das ist für sie! Das soll ihr Lohn sein!‹«
    » O nein«, sagte Lucien.
    » Was?«, fragte Gauguin. » Hat das etwas zu bedeuten? Er war doch krank, oder?«
    » Es bedeutet«, sagte Henri, » dass Sie Paris verlassen müssen. Fahren Sie weit weg. Und wenn Sie das Mädchen sehen, das letzte Nacht in Ihrem Bett lag, müssen Sie laufen, als säße Ihnen ein Dämon im Nacken.«
    Lucien nickte, um Henris Warnung zu bekräftigen.
    » Aber ich muss sie malen. Deshalb war ich so früh unterwegs, um Farbe zu besorgen. Ich muss sie malen!«
    » Sie müssen fliehen, Paul«, sagte Lucien. » Wenn Sie das Mädchen malen, muss es sterben. Oder Sie.«
    » Womöglich aus Langeweile«, sagte Henri. » Wenn Sie die Kleine mit Ihren Theorien zu Tode langweilen.«
    » Das habe ich damit überhaupt nicht gemeint«, sagte Lucien.
    Sie schickten Gauguin mit allem Geld fort, das sie noch in ihren Taschen hatten, und nahmen ihm das Versprechen ab, dass er das Mädchen mied und Paris verließ, sobald er sich eine Überfahrt gesichert hatte. Er mochte es zwar in Erwägung ziehen, sein ideales Inselmädchen aufzugeben, doch den Traum, Inselmädchen zu malen, wollte er keineswegs aufgeben.
    » Was steht auf dem Zettel?«, fragte Henri.
    » Da steht: › Lucien, skizziere mich.‹ Unterschrieben mit › Juliette‹. «
    » Klingt kryptisch wie Alice im Wunderland. Sie ist ein hübsches Mädchen, Lucien, aber ihre schriftstellerischen Fähigkeiten sind erbärmlich.«
    » Die Farbe reicht kaum für eine Skizze.«
    » Vielleicht sollten wir sie aufsparen. Wenn Le Professeur wiederkommt, kann er dich damit hypnotisieren. Oder wir holen Carmen und hypnotisieren sie, wie wir es vorhatten.«
    » Nein, ich werde Juliette skizzieren.«
    Henri zuckte mit den Schultern. » Da liegt Pappe in der obersten Schublade der Bildertruhe. Wir haben keine grundierten Leinwände mehr.«
    Lucien trat an die Truhe, zog die breite, flache Schublade heraus und wühlte zwischen den braunen Pappstücken herum, bis er eines von der Größe einer Postkarte gefunden hatte. » Das müsste genügen.«
    » Hast du eine Fotografie, nach der du arbeiten kannst?«
    » Ich werde sie aus dem Gedächtnis malen. Ich glaube, so meinte sie es.«
    » Offenbar besitzt ihr Brief einen Subtext, der mir entgangen ist.«
    Lucien suchte sich einen feinen Pinsel, nahm einen Topf mit Leinöl von der Bildertruhe und setzte sich zum Zeichnen an den Tisch.
    » Kein Weiß?«
    » Ich male nur Umrisse. Wenn ich erst mit Schlaglichtern anfange, geht mir das Blau aus, bevor ich die Figur habe.«
    » Juliette zu malen ist möglicherweise nicht das Klügste, was man machen kann, Lucien. Das weißt du, oder?«
    » Ja, ich weiß, aber ich liebe sie.«
    » Dann flugs voran«, sagte Henri und trank seinem Freund zu. » Während du arbeitest, werde ich nachholen, was mir an Rauch und Trunk entgangen ist.«
    Auf ungrundierter Pappe waren keine Korrekturen möglich, kein Ausradieren, kein Wegwischen und Neumalen, kein Mischen, kein Übermalen. Er gab etwas von dem Blau in einen Tropfen Leinöl auf dem Tisch, stellte sich Juliettes bezauberndes Kinn vor, und der Pinsel sank auf die Pappe. Ihr Hals, anfangs nur eine zarte Linie, doch dann verstärkt, mit einem Pinselstrich hervorgehoben– schon wuchs Juliettes Gesicht auf der Pappe heran. Luciens Hand war das Werkzeug seines inneren Auges, und er begann, die Linien aufzumalen wie ein automatisierter Webstuhl, der einen seidenen Wandteppich wob.
    Er verdrehte die Augen und sackte auf seinem Stuhl in sich zusammen, das Bild fest in einer Hand, den Pinsel in der anderen, und hielt noch immer beides in Händen, als er zuckend am Boden lag.
    Lucien schlug die Augen auf und sah, dass Henri mit ihm auf einer Höhe war, die Wange an den Boden gepresst. Die beiden lagen da wie zerstrittene Zwillingsföten, bereit für einen gebärmütterlichen Boxkampf.
    » Nun, das schien ziemlich ungenehm gewesen zu sein«, sagte Henri.
    » Ich war weg.«
    » Dachte ich mir. Wo?«
    » Ich habe Berthe Morisot nackt gesehen.«
    » Die Malerin? Im Ernst? Nackt?«
    » In einer Gipsmine.«
    » Wäre nicht meine erste Wahl für ein Rendezvous, aber es ist ja deine Halluzination.«
    » Sie war ganz und gar mit Blau überzogen.«
    » Hast du es schon mal mit Erdbeermarmelade versucht? Obwohl die Nüsschen manchmal nerven.«
    » Auch der Farbenmann war

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