Verflixtes Blau!
konnte, und bis dahin wäre sie längst weg, aber er hatte eine Ahnung, wohin sie wollte.
Eilig sammelte er seine Kleider zusammen.
Morgendliche Dämmerung über dem Montparnasse. Als verkohltes, verkrüppeltes Etwas kam der Farbenmann aus den Katakomben gestolpert, und mochte er auch am Leben sein, so hatte er sich von seinem letzten Tod noch nicht erholt. Große, schwarze Flocken von verbrannter Haut knackten und platzten von ihm ab, als er durch die Gassen von Paris hinkte.
Nun, wenn Bleu nicht aufhören wollte, ihn zu morden, würde er sie eben zurückmorden. Der Bäcker und der Zwerg waren nie im Leben selbst darauf gekommen, ihm zu seinem Versteck zu folgen und ihn anzugreifen– seine Bilder zu verbrennen. Die beiden hatten Inspiration gebraucht, und das war Bleus einzige raison d’être. Sie hatte die beiden als ihre Waffen benutzt.
Er würde sie töten, kurz und schmerzlos, dann lang und schmerzvoll– nein, besser wäre noch, er würde sich erst an ihrem Juliette-Körper vergehen und sie hinterher töten. Dann den Körper beseitigen und sie als Frettchen wieder zum Leben erwecken. Sie war stark, doch er war stärker. So wollte er es machen. Sie töten, sich an ihrem toten Leib vergehen, sie wachrufen und ihr erzählen, dass er sich an ihr vergangen hatte, bis sie vor Wut schrie, sie dann noch einmal töten und sie auslachen, wenn sie als Frettchen wiederauferstand. Genauso würde er es machen. Aber er würde das Sacré Bleu herstellen müssen. Er brauchte das Sacré Bleu, um sie in einem neuen Körper zum Leben zu erwecken und sich zu heilen, sonst würde er noch eine ganze Weile schwarz und knusprig bleiben. Die Höhlenmalereien beschützten ihn, doch er hatte warten müssen: erst darauf, dass eine Ratte in die ölige Pfütze seiner sterblichen Überreste tappte, dann darauf, dass Etienne, der sich im Dunkeln verirrt hatte, zu ihm kam. Sein treuer Esel hatte ihm das neue Leben geschenkt, mit dem er bis hierher gekommen war, doch ohne weitere Bilder konnte er sich nicht heilen. Immerhin war es gut, dass er sich keinen neuen Körper suchen musste wie Bleu. Dann wäre er eine Ratte gewesen oder– schlimmer noch– Etienne. Er hatte es dem Esel nie gesagt, aber er konnte seinen beschissenen Strohhut noch nie leiden. Allerdings hätte er dann einen Penis gehabt, mit dem man so manches Mädchen erschrecken konnte. Der Farbenmann seufzte den verrußten Seufzer eines Traumes, der ihm verwehrt blieb.
Als er durch das Quartier Latin kam, fand er ein paar Kleider, die zwischen den Häusern auf einer Leine hingen. Sie waren ihm viel zu groß, sodass er die Ärmel und die Hosenbeine aufkrempeln musste, aber sie schützten ihn wenigstens vor der Kälte.
Ausnahmsweise schlief die neugierige Concierge in seinem Haus, aber zum Glück hatte er noch daran gedacht, die Schlüssel zwischen seinen verkohlten Kleidern zu suchen, bevor er den langen Aufstieg aus der unterirdischen Stadt begann. Er war nicht einmal sicher, wie er den Weg gefunden hatte. Es war, als schöpfe er Kraft aus uralten Zeiten.
Tatsächlich schöpfte er sie aus dem intensiven Licht, mit dem seine Bilder in Pech Merle angestrahlt wurden. Bis Dr. Vanderlinden seine Bogenlampe aktiviert hatte, waren die magischen Malereien niemals ultravioletter Strahlung ausgesetzt gewesen und hatten ihre Kraft nie ganz entfaltet.
» Aha!«, sagte er, als er durch die Tür stürmte. Die Juliette-Puppe stand dort im Dunkeln, in ihrem hübschen, veilchenblauen Kleid, und blinzelte hin und wieder. Sie starrte ihn an, doch sie schien ihn nicht zu erkennen. Sie blinzelte nur. Das war in höchstem Maße unbefriedigend. Am liebsten hätte er seinen Revolver abgefeuert, um seinem Ärger Ausdruck zu verleihen, doch diesen hatte er in den Katakomben zurückgelassen, weil er dafür keine Munition mehr besaß.
» Aha!«, sagte er noch einmal. Und wieder blinzelte Juliette.
Sie hielt die Hände hinterm Rücken, als wollte sie vor ihrem Tanzpartner einen Knicks machen, bevor das Menuett begann.
Der Farbenmann hinkte zu ihr hinüber, streckte die Hand aus, packte sie bei den Rüschen ihres Kleides und riss es ihr vom Leib. Sie blinzelte.
» Ich werde mich an dir vergehen, und dann werde ich dich töten«, sagte er mit verkohltem Grinsen. » Oder umgekehrt!« Er ließ seine übergroßen Hosen fallen und kicherte hämisch.
Sie blinzelte.
Er seufzte. Ein Schlüssel klapperte in der Tür, und eine rothaarige Frau platzte herein.
» Aha!«, sagte der Farbenmann. » Ich werde
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