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Verflixtes Blau!

Verflixtes Blau!

Titel: Verflixtes Blau! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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neben ihm etwas bewegte. Sie lag auf der Seite und sah ihn an, wobei nur die Augen und ihre Lippen nicht vom blauen Pulver überzogen waren. Sie leckte sich das Pulver aus den Mundwinkeln, und auch ihre Zunge nahm die dunkelblaue Farbe an.
    » Na, das könnte lustig werden«, sagte sie in ihrer Sprache (einer Sprache, die arm an Vokabular und reich an Gesten war), und zwar mit Augenrollen, freudigem Quieken, einem Hüftstoß und einem Finger, der in die Zukunft deutete.
    Nach zwei weiteren Tagen in der Höhle kehrten sie gemeinsam ins Lager der Menschen zurück. Er hatte seine neu entdeckte, blaue Farbe dabei, um sie ihnen vorzuführen, eine Opfergabe, damit sie ihn wieder aufnahmen und als ihren Schamanen akzeptierten. Draußen vor der Höhle, wo die Frauen die groben Schalen von den Jamswurzeln schabten, schlug der Mann, der Zwei Handvoll als seine Gefährtin beanspruchte, dem kleinen Schamanen mit einem Stein den Schädel ein und warf seinen Leichnam über die Klippen. Das Mädchen schüttelte den Kopf, schon während der Tat, denn ihre Sprache hatte noch nicht genügend Vokabular herausgebildet, um sagen zu können: » Wow, das war keine so gute Idee.« Als alle schliefen, schlich sie aus der Höhle, um unten auf den Felsen die zerschmetterte Leiche zu suchen.
    Bei Sonnenaufgang kehrte Zwei Grunzer in die Höhle seines Volkes zurück, in Begleitung einer großen Bärin, deren Pelz mit Blau bestäubt war und die sich sogleich daranmachte, die ganze Sippe aus dem Schlaf zu holen und einen nach dem anderen in Stücke zu reißen.
    Ein loderndes Feuer, das Zwei Grunzer am Höhleneingang entfacht hatte, versperrte ihnen die einzige Fluchtmöglichkeit. Er richtete sich in der Höhle ein, ließ die Bärin die Leichen hinausschaffen und den Aasfressern des Waldes vorwerfen, während er die hochheiligen Malereien seiner Mutter und ihrer Vorgänger mit eigenen Bildern blau übermalte.
    Als der Bär schließlich ging und dafür das Mädchen, das er als Zwei Handvoll kannte, wiederkam, ernteten sie einen ordentlichen Batzen Blau, den sie den Opfern und dem Leid des Volkes zu verdanken hatten.
    Schließlich wurde das Mädchen krank und starb, und als er weiterzog, folgte ihm eine Tigerin, deren Schwanzspitze ultramarinblau war. Sie begleitete ihn zum nächsten Lager der Menschen, die dem verkrüppelten, kleinen Mann erheblich mehr Respekt entgegenbrachten, weil er ihrem Schamanenmaler leuchtendes Blau mitbrachte. Sie gaben ihm zu essen, versorgten ihn und wiesen ihm eine eigene Ecke in der Höhle zu, wo er mit seinem Tiger schlafen konnte. Ihr Schamane malte sogar Bilder von dem kleinen Mann und dem blau gefleckten Tiger an die Höhlenwände, doch aus unerfindlichem Grund hat keines dieser Bilder die Zeiten überlebt.
    Mittlerweile war er nicht mehr Zwei Grunzer und ein Achselzucken und auch nicht mehr der Furz im Wind. In ihrer höher entwickelten Sprache nannten sie ihn den Farbenmann.
    » Er lebt«, sagte Carmen. Sie ließ ihren Fächer sinken und sah den Maler an. Sie posierte in einem Kimono aus weißer Seide, auf der grellblaue Chrysanthemen abgebildet waren, die feuerroten Haare mit schwarz lackierten Stäbchen hochgesteckt. Es gefiel Henri, wie scheu sie im japanischen Gewand wirkte.
    » Wer lebt?«, fragte Henri und hob den Pinsel an.
    » Er! Er! Was glaubst du denn? Der Farbenmann. Ich kann ihn spüren. Ich muss gehen.« Sie raschelte in seinem Atelier herum, stieg aus dem Kimono und sammelte ihre Kleider vom Boden auf, wo diese im Eifer der letzten Nacht gelandet waren.
    » Aber, chère, ich war dabei, als er verbrannt ist.« Die Vorstellung, dass der Farbenmann noch leben mochte, quälte Henri, ebenso jedoch, dass sie die gemeinsame Illusion zerstörte. Er wusste ja, dass die Muse in ihr wohnte, aber sie war seine Carmen, scheu, süß, ungeschliffen, wund und müde von einem Leben harter Arbeit und ganz und gar nicht wie Luciens Juliette, abgesehen davon, dass sie ein meisterliches Modell war. » Bitte, Carmen!«
    » Ich muss gehen«, sagte sie. Sie schnappte sich ihre Tasche vom Regal bei der Tür, dann blieb sie stehen und kam zu ihm zurück, betrachtete die kleine Leinwand, an der er arbeitete. » Die werde ich brauchen.« Sie nahm sie ihm weg, gab ihm einen Kuss auf die Nase und stürmte zur Tür hinaus.
    Am liebsten wäre er ihr gefolgt, doch auch er trug einen seidenen Kimono mit Blumenmuster und eine Perücke, die mit Stäbchen hochgesteckt war. Er würde sich umziehen müssen, bevor er auf die Straße

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