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Verflixtes Blau!

Verflixtes Blau!

Titel: Verflixtes Blau! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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Kenne ich Sie nicht?«, fragte Henri. » Haben Sie mir vielleicht schon mal etwas verkauft?«
    » Könnte sein«, sagte der Farbenmann. » Ich reise viel.«
    » Haben Sie nicht normalerweise einen Esel dabei, der Ihre Waren trägt?«
    » Ach, Etienne… der hat Urlaub. Braucht Ihr Farben, Monsieur? Ich habe die feinsten Erden und Mineralien, nichts Unechtes. Ich habe den Stoff, mit dem man Meisterwerke schafft, Monsieur.« Der Farbenmann ließ die Scharniere an seinem Koffer schnappen und klappte ihn am Kantstein auf, zeigte reihenweise Tuben her, die von Bronzedrähten festgehalten wurden. Eine davon nahm er, schraubte die Kappe ab und drückte einen Tupfer von dunkelroter Farbe auf seine Fingerspitze. » Purpur aus dem Blut rumänischer Jungfrauen.«
    » Wirklich?«, sagte Henri. Ihm schwirrte der Kopf, und er musste sich auf seinen Stock stützen.
    » Nein, nicht wirklich. Aber das Pigment kommt aus Rumänien. Aus Käfern hergestellt, einzeln von den Wurzeln eines Krauts bei Bukarest gesammelt. Hässliche Viecher. Garantiert Jungfernkäfer. Ich würde die nicht ficken wollen. Möchtet Ihr was davon?«
    » Leider habe ich bereits alle Farben, die ich brauche. Ich muss heute noch eine Lithographie zu Stein bringen, ein Plakat fürs Moulin Rouge. Und außerdem scheint mich eine Übelkeit zu plagen, um die ich mich noch kümmern muss. Der Drucker hat sicher die nötigen Farben.«
    » Pah, Lithographie!« Der Farbenmann spuckte aus, um seiner Verachtung für alles Ausdruck zu verleihen, das mit Kalkstein und Druckerfarben zu tun hatte. » Eine Mode. Sobald sich das Neue abnutzt, wird niemand es mehr wollen. Vielleicht etwas Zinnober? Aus dem feinsten Cinnabarit. Ich zerreibe es selbst. Ihr wisst schon, um die Rothaarigen zu malen, die Euch so gut gefallen.«
    Henri trat zurück und stolperte vom Kantstein, fing sich gerade noch, bevor er fiel. » Nein, Monsieur, ich muss gehen.« Er eilte davon, so schnell, wie sein Kater und der Schmerz in seinen Beinen es gestatteten, verfolgt von einem rothaarigen Geist, von dem er glaubte, er hätte ihn schon lange hinter sich gelassen.
    » Ich werde Euch in Eurem Atelier aufsuchen, Monsieur«, rief ihm der Farbenmann noch hinterher.
    » Das wird nicht gehen«, sagte Juliette. Sie stand im Atelier an der Rue Caulaincourt, am Fuße des Montmartre, das sich Lucien mit Henri teilte. Die beiden hatten die hintere Wohnung im Erdgeschoss gemietet, damit Henri mit seinen Leinwänden keine Treppen steigen musste, doch da das fünfstöckige Gebäude nur einen winzigen Innenhof besaß, hatte die Wohnung einen nicht zu unterschätzenden Nachteil.
    » Hier gibt es keine Fenster«, sagte Juliette. » Wie kannst du ohne Fenster arbeiten?«
    » Sieh doch, die vielen Gaslampen! Und es gibt einen Paravent, hinter dem sich die Modelle umziehen können. Und ein Wasserklosett. Und einen Herd, um Tee zu kochen. Und einen Bistrotisch und eine Bar mit allem, was man sich wünschen kann. Und in der Tür da ist ein Fenster.« Da war tatsächlich ein Fenster in der Tür, eine trübe, ovale Scheibe, etwa von der Größe eines mittelgroßen Herrenhutes. Es fiel gerade so viel Licht aus dem Flur herein, dass Lucien die Gaslampen anzünden konnte, ohne über das Chaos am Boden zu stolpern und sich dabei den Hals zu brechen.
    » Nein«, sagte Juliette. Sie hielt ihren zusammengeklappten Sonnenschirm wie eine Waffe, als müsste sie sich mit Gewalt gegen die Leinwände wehren, die rundum an den Wänden lehnten, in unterschiedlichsten Trocknungsstadien. Sie schlug nach einer Staffelei, die mitten im Raum stand, als wollte sie das hölzerne Gestell davor warnen, sich mit ihr anzulegen. » Hier drinnen sehe ich aus wie eine Leiche. Wir brauchen Sonnenlicht.«
    » Meistens arbeite ich sowieso bei Nacht, wenn Henri im Moulin Rouge ist oder an einer seiner anderen, äh, Wirkstätten. Bis mittags bin ich fast immer in der Bäckerei und…« Er ließ die Schultern hängen, denn ihm wollte nichts einfallen, was er sonst noch Positives sagen konnte.
    » Es muss doch irgendwo ein anderes Atelier geben«, sagte sie, trat nah an ihn heran, schob die Unterlippe vor und schmollte wie ein kleines Kind. » Wo man den warmen, goldenen Sonnenschein auf meinem Körper malen kann.« Sie tat, als wollte sie ihn küssen, dann tanzte sie eine Pirouette, stieß ihn mit ihrem Reifrock beinah um und stolzierte auf die Tür zu. » Oder eben nicht.«
    » Henri zahlt den größten Teil der Miete«, fügte Lucien lahm hinzu. » Eigentlich ist

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