Verflixtes Blau!
tatsächlich lange Zeit wertvoller als Gold, und damals galt es als Statussymbol, ein Gemälde in Auftrag zu geben, in dem es Verwendung fand. Die beiden Bilder von Michelangelo, die Lucien und Juliette sich in London ansehen, Die Grablegung Christi und das, was man als The Madonna Manchester bezeichnet, sind unvollendet, die blauen Bereiche unausgemalt, und beide hängen bis zum heutigen Tag in der National Gallery in London, doch ist es eher unwahrscheinlich, dass sie unvollendet blieben, weil der Maler das nötige Ultramarin nicht auftreiben konnte oder einfach zum nächsten Auftrag überging oder dass der Auftraggeber sich weigerte, den hohen Preis für die Farbe zu bezahlen. Die Physik von Licht und Farbe blieb so nah am Faktischen, wie es mir mit meinem eigenen Verständnis möglich war, aber ehrlich gesagt, ist die ganze Sache mit der Refraktion, der Absorption und den Streuungsaspekten, die zur Entstehung und Wahrnehmung der Farbe führen, nach wie vor eher verworren, also liegt es nicht an Ihnen, wenn Sie ebenfalls etwas verwirrt sind.
Zu guter Vorletzt ein Wort zu den Impressionisten.
Wie ich feststellen musste, besteht unter Akademikern und Kunstbegeisterten eine Tendenz, die Impressionisten mit ihren Blumenfeldern und ihren rotwangigen Mädchen als läppisch abzutun, als Futter für die Massen, und wenn man erst die tausendste Einkaufstasche mit Monets Lilienbild gesehen hat, ist das auch verständlich. Für Museen sind die Impressionisten Goldesel, denn die Ausstellungen bescheren den Museen stets einen wochen-, sogar monatelangen Besucheransturm, sodass man sie oft eher stirnrunzelnd betrachtet, nicht so sehr wegen der Maler selbst, sondern wegen der Massen, die die Bilder sehen wollen. Nimmt man die Impressionisten aus dem Kontext ihrer Zeit, scheinen sie nur » hübsche Bilder« zu malen. Und doch stellte der Impressionismus zu seiner Zeit einen Quantensprung in der Malerei und schließlich in der Kunst ganz allgemein dar. Die Künstler kamen aus allen Bereichen des Lebens, aus allen ökonomischen Schichten und hatten sehr unterschiedliche Vorstellungen von Gesellschaft und Kunst, doch allen gemein– das eine Element, das sie über die bloße Rebellion gegen die Tradition hinaus einte– war ihre Liebe zur Malerei. Ob es nun an der Erfindung der Fotografie lag, dem Umstand, dass aufgrund der industriellen Revolution die Mittelklasse an Einfluss gewann, oder einfach daran, dass Farbe in Tuben verfügbar wurde, was es dem Maler ermöglichte, sein Atelier zu verlassen und seine Welt und seine Zeit zu malen (was sich sowohl in der Technik als auch in der Philosophie ausdrückte, den Moment einzufangen)– das alles trug seinen Teil zum Erfolg der Impressionisten bei. Die Voraussetzung, der Kontext, war gegeben, und doch glaube ich, der Antrieb zu dieser Revolution lässt sich auf eine Gruppe von Leuten zurückführen, die ungeachtet ökonomischer und sozialer Ängste eine Idee verfolgten. Es spricht Mut aus diesen Bildern von stillen Teichen und rosigen Mädchen, ein Mut, der die nächste Generation inspirierte– von Toulouse-Lautrec, van Gogh, Gauguin bis hin zu Matisse und Picasso und somit bis zur modernen Kunst des 20. Jahrhunderts. Ich hoffe, das wurde in meinem düsteren, kleinen Märchen von der Farbe Blau deutlich.
Samuel Johnson sagte: » Man muss eine halbe Bibliothek durchblättern, bis man ein Buch zusammenhat«, aber leider stößt man bei der Recherche auf verdammt wenige brauchbare Bücher. Hier sind einige:
Wenn Sie sich für den Aufstieg des Impressionismus interessieren, versuchen Sie es mit The Private Lives of the Impressionists von Sue Roe (Harper Collins, 2006– deutsch: » Das private Leben der Impressionisten«, Parthas Verlag, 2007). Was weitere Informationen zu Henri Toulouse-Lautrec angeht, so bietet der Taschen Verlag mit dem Band Toulouse-Lautrec von Gilles Néret, bearbeitet von Ingo F. Walther, eine schöne Sammlung von Gemälden und Fotografien, eingebunden in eine gut lesbare Biografie. Als weitere Lektüre zu Farben und ihrer Herkunft empfehle ich Color von Victoria Finlay (Random House, 2002– deutsch » Das Geheimnis der Farben«, List Verlag, 2003), die abenteuerliche Geschichte einer Frau, die zu den Ursprungsorten der großen natürlichen Pigmente reist und im Zuge dessen interessante historische Hintergründe und Anekdoten erzählt, wobei sie sowohl die Wissenschaft als auch die Geografie der Farben zum Leben erweckt. Auch Philip Balls Bright Earth
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