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Verflixtes Blau!

Verflixtes Blau!

Titel: Verflixtes Blau! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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Tuch zu befeuchten, da er von Zeit zu Zeit schluckte. So verhinderte man tröpfchenweise, dass er verdurstete.
    Am siebten Tag nahm Régine den Morgenzug nach Auvers-sur-Oise, um Dr. Gachet zu holen. Nachmittags brachte sie nicht nur den guten Doktor mit, sondern auch Camille Pissarro, der dort gerade zu Besuch gewesen war. Dr. Gachet, dessen Heilungsmethoden zur Homöopathie neigten, begann, dem steten Tropfen, den die Frauen dem Kranken verabreichten, Kräutertinkturen hinzuzufügen. Am achten Tag schlug Lucien die Augen auf und sah etwas, das ihm das weißbärtige Gesicht Gottes zu sein schien.
    » Willkommen daheim, Rattenfänger«, sagte Pissarro.
    Mère Lessard presste ein Taschentuch an ihren Mund und eilte hinaus, um ihre Tränen zu verbergen.
    » Onkel Camille«, sagte Lucien. » Wie das?«
    » Ich bin mit Gachet gekommen. Ich war in Auvers und habe mit Gauguin gemalt.«
    » Ist Minette bei dir?« Luciens Stimme war staubtrocken.
    Régine hielt eine Tasse an Luciens Lippen, und er nahm einen Schluck Wasser, was Pissarro Zeit gab, sich von der Erinnerung an seine Tochter zu erholen, die schon seit achtzehn Jahren tot war.
    Er warf dem Doktor einen Blick zu, als wollte er fragen, ob er dem offensichtlich verstörten Jungen die Wahrheit sagen durfte.
    Einen Moment lang strich Dr. Gachet über seinen roten Spitzbart, als könnte ihm die Reibung eine Prognose bescheren, dann nickte er.
    » Minette ist von uns gegangen, Lucien«, sagte Pissarro. » Vor vielen Jahren schon. Erinnerst du dich nicht?«
    » Das Blau!«, sagte Lucien, setzte sich eilig auf und packte Pissarro am Revers. » Hat es sie geholt?«
    Pissarro starrte an Lucien vorbei in die Ecke des Zimmers. Dort gab es nichts zu sehen, nur die Farbe an den Wänden, doch er konnte Luciens Blick nicht ertragen, der um Antwort flehte. Der alte Maler hatte Tränen in den Augen.
    » Sie war krank, hatte Fieber«, sagte er. Er schüttelte den Kopf und blickte beschämt zu Boden. » Vor langer Zeit, Rattenfänger.«
    Lucien sah Dr. Gachet an. » Hat das Blau sie geholt?«
    Der Arzt stellte einen Hocker neben das Bett und setzte sich darauf. » Lucien, du warst über eine Woche ohne Bewusstsein. Weißt du, was dir zugestoßen ist?«
    » Es geht mir gut«, sagte Lucien. » Ich habe gemalt. Augenblick mal. Juliette? Ach, Onkel, das Bild! Du musst dir das Bild ansehen!«
    Pissarro schüttelte sein Unbehagen ab und lächelte Gachet an. » Er wird schon wieder werden«, sagte er, als wäre er nun der Arzt.
    » Das bleibt abzuwarten«, sagte Gachet. » Lucien, hast du irgendetwas Ungewöhnliches gegessen? Muscheln vielleicht? Pilze, die du nicht kanntest?«
    » Ich hatte Fish and Chips. In London. Mit Juliette«, sagte Lucien. » Wo ist Juliette?«
    » Mutter hat ihr eine crêpe -Pfanne auf den Kopf geschlagen«, sagte Régine, die in der Tür stand. » Danach ist sie nicht wiedergekommen.«
    » Aber ich liebe sie«, sagte Lucien. » Und das Bild ist noch nicht fertig.«
    Gachet stand auf. » Ruh dich ein wenig aus, Lucien. Camille und ich werden uns dein Bild mal ansehen.«
    In Luciens Atelier standen Dr. Gachet und Camille Pissarro vor dem blauen Akt von Juliette.
    » Extraordinär«, sagte Gachet.
    » Ich fühle mich an Renoirs Olivenbäume erinnert. Damals war er in den Süden gefahren und versuchte zu beweisen, dass aller Schatten aus blauem Licht besteht– er war nicht bereit, ihn in einer anderen Farbe zu malen. Seine gesamte Palette bestand aus Blautönen.«
    » Tatsächlich, Camille? Sie erinnert dich an Olivenbäume? Lass mich deinen Puls fühlen, mein Freund. Vielleicht bist du schon tot.«
    » Ich meinte die Farben.«
    Die Ateliertür ging auf, und als sie sich umdrehten, sahen sie Henri Toulouse-Lautrec, ziemlich zerzaust, als wäre er erst kürzlich ausgepackt worden, nachdem er lange Zeit eingequetscht in einer kleinen Kiste zugebracht hatte.
    » Bonjour, Messieurs.« Henri war Pissarro bereits in Theo van Goghs Galerie begegnet, wo beide ihre Bilder zum Verkauf anboten. Im selben Moment, als Toulouse-Lautrec eintrat, wich der schwere, nussige Duft nach Leinöl (mit einer leicht strengen Note von Terpentin) dem erstickenden Pesthauch von Patschuli, Moschus, Absinth, Tabak und weiblichen Körpersäften, vermutlich von Verblichenen. Dr. Gachet wischte verstohlen seine Hand an der Hose ab, nachdem er Lautrec begrüßt hatte.
    » Ich habe Eure Arbeiten gesehen, Monsieur«, sagte der Doktor. » Besonders Eure Lithographien sind bemerkenswert. Ich bin selbst

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