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Verflixtes Blau!

Verflixtes Blau!

Titel: Verflixtes Blau! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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spürte den Schmerz in seinem Herzen, weil sie weg war, doch er konnte sich nicht daran erinnern, wie seine erste große Liebe damals erkrankt war. Nur noch an den Pfeil in seinem Herzen, als man ihm berichtete, dass sie nicht mehr lebte. Den spürte er noch immer.
    » Ihr etwa auch nicht?« Gachet wandte sich an Pissarro.
    Der Maler schüttelte den Kopf und betrachtete seine Hände. » Vielleicht ist es ein Segen.«
    » Und doch wart ihr beide dabei«, sagte der Doktor. » Ich habe Minette wegen ihres Fiebers behandelt. Ich erinnere mich, dass ihr dabei wart.«
    » Ja«, sagte Pissarro, » ich hatte mehrere Bilder von Lucien gemalt, also habe ich…« Pissarro wusste nicht mehr weiter.
    » Wo sind sie?«, fragte der Doktor.
    » Wer?«
    » Camille, ich kenne alle Eure Bilder. Nur ein Porträt von Lucien habe ich noch nie gesehen.«
    » Ich habe ihn gemalt. Drei-, vielleicht viermal. Ich habe ihn im Malen unterrichtet. Ihn und meinen Sohn Lucien. Frag ihn.«
    Gachet wandte sich an Lucien. » Kannst du dich an diese Sitzungen erinnern?«
    Lucien gab sich alle Mühe. Sicher hatte er Stunde um Stunde stillsitzen müssen, und das zu einer Zeit, in der ihm das Stillsitzen schwergefallen sein dürfte, und doch empfand er nur so eine unbestimmte Angst, die tief in ihm zu einer Art Panik heranwuchs. » Nein. Nein, ich erinnere mich nicht.«
    » Und du hast die Bilder nie gesehen?«
    » Nein.«
    Pissarro packte seinen Freund beim Arm. » Gachet, was hat das zu bedeuten? Minette ist vor über achtzehn Jahren gestorben.«
    » Auch ich habe Erinnerungen verloren«, sagte Toulouse-Lautrec. » Und ich kenne noch andere, nun, eine andere, ein Modell. Es ist die Farbe, nicht?«
    » Was ist die Farbe?«, fragte Pissarro, dessen Trauer sich in Ärger verwandelte. » Wir erinnern uns nicht wegen welcher Farbe?«
    » Ich weiß es nicht. Sehen wir es uns genauer an.« Gachet tätschelte Pissarros Hand, um ihn zu beschwichtigen. » Dieser Farbenmann, habt Ihr mit ihm zu tun gehabt, Camille? Besonders damals, als Ihr Lucien gemalt habt?«
    Pissarro schloss die Augen und nickte. » Ich erinnere mich an einen solchen Mann. Vor vielen Jahren. Er kam an dem Tag in die Bäckerei, als Père Lessard eines meiner Bilder verloste. Ich habe ihm keine Beachtung geschenkt. Er gab mir eine Tube mit Farbe zum Ausprobieren. Ultramarin, glaube ich. Ja, ich erinnere mich, ihn gesehen zu haben.«
    » Habt Ihr die Farbe verwendet?«
    » Ich weiß es nicht mehr. Ich vermute, das habe ich wohl getan. Es waren magere Zeiten. Ich konnte es mir nicht leisten, Farbe zu vergeuden.«
    » Und, Lucien…«, sagte der Doktor. » Erinnerst du dich an diesen Farbenmann?«
    Lucien schüttelte den Kopf. » Ich weiß noch, dass ein hübsches Mädchen das Bild gewonnen hat. Ich erinnere mich an ihr Kleid, weiß, mit großen, blauen Schleifen.« Lucien wandte sich von Pissarro ab. » Ich weiß noch, dass ich mir wünschte, Minette hätte auch so ein Kleid.«
    » Margot«, sagte Pissarro. » Ihren Nachnamen weiß ich nicht mehr. Sie stand Modell für Renoir. Sein Schaukelbild und das große Gemälde vom Moulin de la Galette.«
    » Ich kannte sie«, sagte Gachet. » Renoir bestellte mich nach Paris, um sie zu behandeln. Mit vollem Namen hieß sie Marguerite Legrand. Wisst Ihr, ob Renoir bei diesem Farbenmann gekauft hat?«
    » Warum?«
    » Weil auch er diese Gedächtnislücken hatte«, sagte der Doktor. » Ihm fehlen ganze Monate, und auch Monet erging es so. Ich bin nicht sicher, was Degas oder Sisley oder Berthe Morisot angeht, die anderen Impressionisten, aber ich weiß, dass alle Maler vom Montmartre Gedächtnislücken hatten.«
    » Und Vincent van Gogh auch?«, fragte Henri.
    » Davon gehe ich mittlerweile aus«, sagte Gachet. » Ihr wisst, dass Ölfarben schädliche Chemikalien enthalten können. Allein das Quecksilber im Zinnober kann einen zu etwas treiben, das sich › Hutmacherwahn‹ nennt. Wir alle kennen jemanden, der durch Bleiweiß vergiftet wurde. Das Chrom im Chromgelb, Cadmium, Arsen, alles Elemente der Farben, die ihr verwendet. Deshalb habe ich meinen Malerfreunden stets davon abgeraten, mit den Fingern zu malen. Viele dieser Chemikalien dringen über die Haut in den Körper ein.«
    » Und Vincent hat die Farbe sogar gegessen«, sagte Henri. » Lucien und ich haben es im Atelier Cormon gesehen. Der Meister hat ihn dafür gescholten.«
    » Vincent konnte… nun… impulsiv sein«, sagte Lucien.
    » Ein Irrer«, sagte Henri.
    » Aber brillant«, sagte

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