Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verflixtes Blau!

Verflixtes Blau!

Titel: Verflixtes Blau! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
Vom Netzwerk:
seine Galerie hineinplatzen und ihn auf den Tod seines Bruders ansprechen. Ich habe dort einige Bilder hängen, genau wie du, aber ich weiß nicht, wie wir das Gespräch von unseren Bildern auf Vincent lenken können, ohne geschmacklos zu erscheinen.«
    » Gott bewahre«, sagte Lucien.
    » Wir müssen ihm dein Bild bringen.«
    » Nein, es ist noch nicht fertig.«
    » Unsinn, es ist großartig. Das beste, das du je gemalt hast.«
    » Es fehlt immer noch ein blaues Tuch um ihren Hals, das den Blick des Betrachters lenkt. Und ich muss noch mehr Ultramarin von Père Tanguy besorgen.«
    » Ich hol dir eine Tube aus dem Atelier.«
    » Es ist nicht nur das, Henri…«
    » Ich weiß.« Toulouse-Lautrec nahm den Hut ab und wischte mit einem Taschentuch über seine Stirn. » Warum ist es hier drinnen so warm?«
    » Wir sind in einer Bäckerei. Henri, ich habe Angst vor diesem Bild.«
    » Ich weiß«, sagte Toulouse-Lautrec mit gesenktem Haupt und nickte ernst und mitfühlend. » Es liegt am Penis, nicht?«
    » Da ist kein Penis!«
    » Ich weiß, ich wollte dich nur ein wenig aufheitern.« Henri klopfte seinem Freund auf den Rücken, und Mehl stob von Luciens Hemd auf. » Das wird der Aufhänger für unseren Besuch bei Monsieur van Gogh. Wir nehmen dein Bild mit und fragen ihn wegen des Tuchs nach seiner Meinung. Er wird sehen, dass es ein Meisterwerk ist, sich geschmeichelt fühlen, und dann, wenn er abgelenkt ist, werde ich ihn fragen, was er über die Umstände weiß, die zum Tod seines Bruders geführt haben.«
    » Das ist ein schrecklicher Plan.«
    » Ja, aber ich ziehe es vor, diesen Umstand zu ignorieren.«
    Da er sich tagsüber nur selten auf dem Hügel sehen ließ, hatten viele Knirpse auf dem Montmartre den » kleinen Herrn« noch nie zu Gesicht bekommen. Er war ein Gerücht, ein Mythos, eine Legende. Natürlich hatten sie von ihm gehört. Sie wussten, dass er von edlem Blute war, ein Künstler und Bonvivant , und sie erzählten sich Geschichten, er sei eigentlich ein Troll, ein grausamer Zirkusdirektor und möglicherweise ein Pirat, doch waren sie durch ihre Mütter gewarnt, dass man von ihm stets als dem » kleinen Herrn« zu sprechen hatte, über den man niemals spotten, flüstern oder lachen durfte, da er tatsächlich ein feiner Herr war, stets höflich und gut gekleidet, für gewöhnlich großzügig und charmant. Und Madame Lessard hatte geschworen, jedes Kind, das man dabei erwischte, wie es dem kleinen Herrn gegenüber unfreundlich war, würde verschwinden und nie wieder auftauchen, höchstens als unappetitliche Pastete mit Wimpern in der Kruste. (Madame Lessard war kaum weniger mysteriös als der kleine Herr, jedoch bedrohlicher, denn man erzählte sich, sie belohne Kinder eben noch mit einer Süßigkeit, nur um sie im nächsten Moment zu vergiften.)
    Jetzt jedoch erschien der Mythos direkt vor ihren Augen, besser als ein Bär auf einem Fahrrad, der eine Nonne fraß: Der Bäcker und der » kleine Herr« schleppten ein riesiges Gemälde einer nackten Frau, die kürzlich von Madame Lessard ermordet worden war, über den Place du Tertre, und die kleinen Jungs vom Hügel wurden von diesem Spektakel angelockt wie Haie von Blut.
    » Ich begreife nicht, wieso wir van Gogh nicht bitten konnten, ins Atelier zu kommen«, sagte Lucien, während er versuchte, sein Ende des Gemäldes in den Wind zu halten. (Es hatte seine Gründe, wieso es auf dem Montmartre Mühlen gab.) Seitwärts wie die Krebse bewegten sie sich über den Platz, um zu verhindern, dass ihnen das Bild aus den Händen gerissen wurde. Daher– wegen der Länge der Bildes, fast zwei Meter fünfzig, und der Bande kleiner Jungen, die sich versammelt hatten, um die nackte Frau auf ihrem Weg zu betrachten– brauchten sie so viel Platz wie drei Kutschen, einschließlich der Pferde, und sie kamen mehrere Blocks weit vom Kurs ab, um dem Wind und ihrem Gefolge zu entsprechen.
    » Wieso heuern wir nicht ein paar von den Lümmeln an?«, sagte Henri. » Ihr würdet uns doch helfen, oder, Lümmel?«
    Die Lümmel, die sich ebenfalls wie Krebse bewegten, die Blicke wie mit unsichtbaren Fäden starr auf die blaue Nackte geheftet, ungeniert mit arglos steifen Pimmeln in den ausgebeulten Hosen (Sie wussten nicht, wieso, nur dass der Anblick der blauen Nackten bezaubernd und gleichzeitig beunruhigend war, derselbe Effekt, den sie auf Erwachsene hatte, sans Beule in der Hose.), nickten. » Wir helfen«, sagte einer der Jungen, dessen Finger so weit in der Nase steckte, dass

Weitere Kostenlose Bücher