Verflixtes Wolfsgeheul (Verflixte Bücher) (German Edition)
sie tut so verdammt weh.
Es sind zwei weitere Männer nötig, die mich von ihm wegzerren. Tora hält mich an den Oberarmen fest, weil ich sonst wie eine Puppe zusammenklappe. Mari hängt an seinen Beinen und sieht mich mit großen Augen an.
„Wir müssen fort von hier!“, sagt er eindringlich und schüttelt mich, damit ich wieder zur Besinnung komme. „Es dauert nicht mehr lange, bis die Schlangenmenschen aufwachen.“
Ich presse meine Lippen aufeinander und gebe mir einen Ruck. „Mali’tora“, sage ich, während mir die Tränen die schmutzigen Wangen hinunterlaufen und auf den Boden tropfen. „Wir müssen Rido mitnehmen. Vielleicht gibt es noch eine Chance …“
„Nenn mich bitte wieder Tora“, sagt er traurig und drückt mich fest an sich. „Ich habe vieles falsch gemacht. Bitte verzeih mir. Und natürlich nehmen wir Rido mit, Nadine.“
Ich nicke und gehe mit den anderen hinaus. Alles, was ich jetzt tue, erlebe ich in einer Art Trance. Ich weiß zwar, dass wir in Superjäger einsteigen, aber wann es dann losgeht und wie lange wir unterwegs sind, kann ich nicht mehr nachvollziehen.
Irgendwann erreichen wir das Lager der Rebellen, die ja nun keine Rebellen mehr sind. Man weist mir ein Zelt zu, in dem ich mit Alin’jiana und Mari die Nacht verbringen soll. Während die beiden schlafen, liege ich mit offenen Augen da und denke nur an Rido. Vor Schmerz krümme ich mich zu einer Banane, die denkt, sie sei ein Waschlappen, zusammen. Ich unterdrücke das Schluchzen, damit ich meine Zeltgenossen nicht wecke, aber da das fast unmöglich ist, stecke ich mir die Faust in den Mund und beiße darauf herum.
Immer wieder sehe ich mich mit Rido eng umschlungen im Dunkeln stehen. Und so kurz dieser Moment auch war, so tief ist er in meinem Hirn eingegraben. Auch als er mir mit den Erfrierungen half – jeder dieser Augenblicke ist so kostbar, ich versuche, sie alle in meinem Herzen festzuhalten, für immer. Nie wieder werde ich ihn sprechen können, nie wieder zanken und auf seine superklugen Sprüche dumme Antworten geben können.
Die Verzweiflung und meine zerbissenen Hände bis hin zu den Unterarmen drängen mich raus aus dem Zelt. Das Lager sieht verlassen aus. Bis auf zwei Leute, die Wache stehen, schnarcht es aus den Zelten. Benar habe ich kurz gesehen, als wir aus dem Superjäger gestiegen sind. Meine Augen sagten alles und er verschwand gleich wieder mit blassem Gesicht.
Völlig erschöpft setze ich mich ans Lagerfeuer und sehe den knisternden Flammen zu. Ich glaubte, das würde mich aufmuntern, doch das genaue Gegenteil tritt ein: Ich denke an die Nacht, in der ich mit Rido über den Berg gestiegen bin, sehe seine gelben Augen im Dunkeln leuchten und ich erinnere mich an seinen Wunsch, Schafzüchter zu werden.
Tora gesellt sich irgendwann zu mir. In einem hübschen türkisfarbenen Becher schwappen heiße Takkabeablätter, an denen er sich die Hände wärmt. Er legt etwas neben mich auf den Stein. Es sieht aus wie die Festplatte eines Computers, nicht größer als meine Handfläche.
„Rido wollte, dass du sie aufbewahrst. Ich nehme an, sie ist sehr wertvoll, da auf ihr die Daten der Sieben-Welten gespeichert sind.“ Sein Gesicht ist nachdenklich, die Augenringe tief.
Ich stecke die Platte zu dem Friedenskristall in meine Hosentasche.
„Sogar der Aufbau der Motoren von Superjägern ist darauf verzeichnet“, sage ich und meine Stimme ist dünn. Ich habe noch immer das Gefühl, keine Kraft mehr zu haben. „Damit könntest du den Motor zerlegen, aber fliegen lernst du damit nicht. Die Landung wird dann ziemlich holprig.“
Ich werfe ein kleines Scheit ins Feuer. „Tora, ich muss zur Erde zurück und die beiden Hüter holen! Vielleicht können wir Rido zusammen wieder ins Leben zurückbringen. Kannst du mir sagen, wo der Transfer-Tunnel ist?“
Er nimmt einen Schluck aus der türkisfarbenen Tasse, bevor er antwortet: „Ich werde dir den Weg zeigen. Aber du solltest dich erst einmal ausruhen, der Weg ins Tal muss ziemlich anstrengend gewesen sein.“
Ich starre ins Feuer. Mit Rido war eigentlich nichts zu anstrengend, er hat mich so oft getragen.
„Was passiert mit den Schlangenmenschen? Du lässt sie in deinem wunderschönen Tal zurück?“
„Wir haben in den letzten Nächten alle Talbewohner herausgeholt. Die Schlangenmenschen leben jetzt dort allein. Niemand wird ihnen Essen bringen oder die Wäsche bügeln.“(1)
Überrascht sehe ich Tora an. „Damit gibst du dein Tal auf.
Weitere Kostenlose Bücher