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Verflixtes Wolfsgeheul (Verflixte Bücher) (German Edition)

Verflixtes Wolfsgeheul (Verflixte Bücher) (German Edition)

Titel: Verflixtes Wolfsgeheul (Verflixte Bücher) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Aretz
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steckt Angst, er ist sogar ziemlich verzweifelt. „Sagst du … sagst du es auch nicht meinem Vater?“
    „Natürlich nicht. Ich kenne deinen Vater doch noch nicht einmal.“
    Ich bin ganz zuversichtlich, aber meine Worte scheinen ihn trotzdem nicht zu beruhigen.
    „Sag schon! Da ist doch noch etwas?!“
    Benar braucht eine Ewigkeit, bis er mit der Sprache rausrückt. Und ich muss gestehen, dass ich dann vor Schreck wie gelähmt bin.
    „Tora“, flüstert er, „er ist mein Vater!“(5)

Kapitel 10
oder
Die Erkenntnis, dass uns manchmal eben kein Licht aufgeht

    Hast du schon mal einen Schneeball gegen eine Scheibe geworfen?
    Dann weißt du, dass der größte Teil platt an der Scheibe kleben bleibt und langsam herunterrutscht. Ich jedenfalls fühle mich im Moment so. Ich bin so matschig wie der Schneeball und je länger ich darüber nachdenke, desto mehr Situationen mit Tora fallen mir ein, bei denen ich vor Scham die Scheibe entlangrutschen könnte.
    Bisher habe ich Benar vertraut und wir haben ordentlich über Tora gelästert – und jetzt wird mir natürlich auch einiges klar! Großvater ist Benars Opa, Alin’jiana seine Mutter und seine Schwester heißt Mari’jeh! Oh, wie blind bin ich gewesen!(1)

    Benar hat sich schon bald wieder im Griff und wir klettern den Felsen hinab. Wir müssen uns beeilen, damit niemandem unsere Abwesenheit auffällt. Mit langen Schritten holt er aus, um den Wald bis zu unserem Lager zu durchqueren. Aber mir sitzt der Schreck noch in den Gliedern und ich stolpere unbeholfen hinterher.
    Im Lager angekommen, beachtet uns niemand. Die Frauen sind mit Kochen beschäftigt, während die Männer versuchen, ein Lagerfeuer zu entfachen. Ziemlich unbeholfen, wie ich feststellen muss, aber ich sehe einfach weg. Gedankenverloren schaue ich über das Wasser des Sees. Die Berge spiegeln sich darin wie der eisige Hauch der Unendlichkeit, wie in Tränen aufgelöste Schneematschklumpen.
    „Ich geh schwimmen“, murmele ich.
    Benar nickt nur. In seinem Gesicht kann ich lesen wie in einem offenen Buch, hoffentlich wird es ihn nicht verraten. Da ruft ihn seine Mutter. Ich laufe zum Strand, ziehe meine Schuhe und Strümpfe aus und fühle die Temperatur. Ziemlich kalt, aber was soll’s … Vielleicht hilft das Wasser, mich von dem Schock zu erholen, darum wate ich bis zu den Knien hinein.
    Von unserer Kleidung habe ich dir schon einmal berichtet. Sie ist wirklich extraklasse. Ich kann angezogen schwimmen gehen, ohne dass meine Haut darunter nass wird. Ein bisschen schützt sie auch vor der Kälte, aber nur wenig. Da sollte man sich lieber die zum Schwimmen geeigneten Thermo-Anzüge holen, die es aber in Lisan-lihé wahrscheinlich nicht gibt.
    „Ist das nicht ein bisschen zu kalt?“
    Tora ist mir an den Strand gefolgt.
    Ich drehe mich zu ihm um. „Hab noch nie in Schneewasser gebadet.“
    „Ich bin früher Meister im Schwimmen gewesen.“ Er zieht sich seine Schuhe aus.
    Mir schwant etwas. „Früher vielleicht“, sage ich nur und suche Benar im Lager. „Ich glaube, dass ist jetzt keine gute Idee …“
    „Dass ich mit dir schwimmen gehe?“ Toras Gesicht ist ernster als je zuvor. „Ich muss mit dir reden – unter vier Augen!“
    „Aber Benar …“
    „Genau um den geht es. Also, was ist unser Ziel?“
    Er ahnt etwas! Ich weiß es so genau, wie mir langsam die Zehen abfrieren.
    „Das andere Ufer.“
    Ich sehe, wie er erst schlucken muss, bevor er langsam ins Wasser watet. Mit einem Hechtsprung platsche ich vor ihm hinein und spritze ihn nass. Und noch bevor er sich von dem Schreck erholen kann, ziehe ich schon im Kraulstil ab.
    Tora ist wirklich ein guter Schwimmer. Er holt mich schnell ein, aber vielleicht liegt es auch daran, dass ich keine Lust auf einen Wettstreit habe – oder auf das bevorstehende Gespräch.
    Wir kommen gleichzeitig am anderen Ufer an. Er schnauft laut, während ich ruhig durchatme. Ausdauer ist schon immer meine Stärke gewesen.
    „Was ist zwischen euch vorgefallen?“, fragt er prompt.
    Ich lasse mich ins Gras der Böschung fallen. „Zwischen mir und Benar? Wir haben uns gestritten.“
    „Ich kenne Benar gut, ich sehe ihm an, dass etwas nicht stimmt. Ich bin sein Vater.“
    Ich lache trocken. „Dass Sie … ähem … dass du sein Vater bist, muss ich noch immer verdauen.“
    „Ich glaube nicht, dass das nur ein harmloser Streit war. Benar ist gedankenlos, erst vor zwei Wochen habe ich eindringlich mit ihm geredet, daran hätte er sich heute erinnern sollen.

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