Verflixtes Wolfsgeheul (Verflixte Bücher) (German Edition)
Hengst anzutreiben, doch es bringt gar nichts. Er wirft mir einen zornigen Blick zu.
Der Hügel, den wir uns als Ziel gesetzt haben, kommt immer näher.
Überschwänglich ruft Tora: „Der Blausamenbaum dort ist das Ziel!“
Einige Meter vorher halte ich Limir’oh zurück und Tora erreicht als Erster den Baum.
„Du hast mich absichtlich gewinnen lassen!“, keucht er und plumpst wie ein Mehlsack auf die Erde.
„Der oberste Befehlshaber der Schwarzen Seite sollte immer gewinnen“, lächle ich und steige ab.
„Heute bin ich nur Familienvater und Freund.“(3)
Ich sehe mich nach Benar um. Er ist stark zurückgefallen und gibt sich anscheinend keine Mühe, uns einzuholen. „Benar wird wütend sein.“
„Oh, er wird das verkraften.“
„Das denke ich nicht. Auch wenn er Sie als Vorbild hat …“
„Du“, sagt Tora lächelnd. „Freunde sagen du zueinander!“
Ich spüre die Hitze in meinen Kopf schießen. „Ähem … ich bin mir da noch nicht so sicher …“
Er lacht zum Glück. „Das macht nichts! Irgendwann wirst du die Wahrheit schon erkennen.“
Ich setze mich neben ihn. „Rido … ich meine … der Wolf … er hat gesagt, in unserem Krieg gäbe es weder Gut noch Böse.“
Auch Tora seufzt nun. „Das ist mir nicht neu. Aus Sicht der verschiedenen Parteien lebt immer ein anderes Licht auf. Daher glaubt jede Partei, im Recht zu sein.“
„Aber … dann haben wir doch nie die Möglichkeit, den Krieg zu gewinnen. Weder die einen, noch die anderen.“
„Das Schlüsselwort ist Kompromiss !“ Tora sieht mich an und ich sehe in seinen Augen eine Lebendigkeit aufflammen, die ich schon bei Großvater entdeckt hatte. „Ich habe Pläne ausgearbeitet, die ich der anderen Seite vorlegen will.“
„Aber die wollen dir einfach nicht zuhören“, folgere ich. „Warum nicht? Die müssten doch auch an einem Frieden interessiert sein.“
Tora rupft etwas Gras aus und hält es Shiri’nai hin. „Ich weiß es nicht.“
Es klingt verzweifelt und ich will ihm eigentlich nicht den heutigen Tag verderben. Es ist sein Familientag und niemand sollte heute über Regierungsprobleme reden. Wenn ich nur nicht so neugierig wäre!
„Ich will dir den Tag nicht verderben“, sage ich, „aber was kann man machen, wenn das Volk der Böse ist?“
„Du machst dir sehr viele Gedanken, das ist erstaunlich. Ich erhoffe mir, das Volk zu einer Demokratie zu bringen. Wenn sie merken, dass sie mitentscheiden können, vergessen sie ihre Wut vielleicht.“
„Ich verstehe nicht, warum die Menschen da draußen nicht zusammenhalten. Warum gehen sie aufeinander los? Warum schaden sie sich selbst?“
„Vielleicht, weil sie an die richtigen Feinde nicht herankommen? Sie sind wütend – und das kann ich ihnen nicht verdenken. Deshalb suchen sie sich einen Sündenbock.“
„Und stürzen sich auf Unschuldige, die sich dann wiederum rächen wollen“, schlussfolgere ich und sehe Benar näher kommen. „Und was machen wir mit Benars Wut?“
Tora zwinkert mir zu. „Mir fällt schon noch was ein …“
Benar spricht nicht ein Wort mit Tora und als der Rest der Truppe uns erreicht und Rast machen will, steigt er einfach auf sein Pferd und trabt los. Ich folge ihm sofort und hole ihn ein.
„Tora ist unfair!“, beschwert sich Benar. „Er hat gewusst, dass er siegen wird!“
„Vielleicht hat er das gebraucht, weil er bisher noch keinen Erfolg hatte?“
„Du meinst die Sache mit dem Krieg?“
Ich nicke. „Wie lange arbeitet er schon an dem Frieden? Und hat er irgendetwas erreicht?“
Benar schüttelt missmutig den Kopf. „Trotzdem. Wir haben heute einen Familienritt und keine Ratsbesprechung!“
„Da hast du Recht! Und ich glaube, es ist ihm auch klar geworden.“
Benar sieht mich von der Seite an. „Du nimmst ihn nicht in Schutz?“
„Ich halte zu dir, ist doch klar!“
Und damit ist Benar beruhigt. Wir albern ein bisschen herum, bis der Rest der Truppe antrabt. Kar’jira ist sauer, weil Benar nicht bei ihm geblieben ist und weil die Mädchen besser reiten als er. Für mich bestätigt sich damit nur die Vermutung, dass in jedem erwachsenen Mann noch immer das trotzige Kind steckt.
Wir erreichen die richtig großen Berge am frühen Nachmittag. Sie sind vergleichbar mit den Alpen in der Schweiz bei euch auf der Erde, schroff und teilweise sehr steil. Im oberen Drittel liegt immerfort Schnee, im Sommer wie im Winter. Ich kann mir kaum vorstellen, wie die verzweifelten Menschen dort hinaufkraxeln, nur
Weitere Kostenlose Bücher