Verflucht, gehängt und doch lebendig
schmalen Lippen sahen aus wie bläuliche Striche in diesem widerlichen Gesicht. Er nickte Bill zu, um ihm dann zu erklären, wie er sterben würde. »Ich werde dich über die Galerie hängen und dort baumeln lassen. Ich selbst werde das Ende des Nylonseils festhalten, denn ich möchte in meinen Händen und Armen spüren, wie du zappelst, Conolly.«
Bill war nicht in der Lage, eine Antwort zu geben, aber er hatte jedes Wort gehört. Er hielt den Mund offen, trotzdem bekam er kaum Kraft in seinen geschundenen Körper, denn auch die Treffer wirkten noch nach.
Darkman stand neben ihm. Er schaute sich um und blickte auch über die Brüstung hinweg nach unten. Zu hören und zu sehen war nichts. Weder Fletcher noch John Sinclair erschienen, um dieses Monstrum zu stellen.
Dann bückte er sich, packte zu und hievte Bill mit einem Ruck in die Höhe.
Die Schlinge zog sich dabei wieder zu. Radikal wurde dem Reporter die Luft abgeschnitten.
Schwankend stand er da. Die gesamte Umgebung drehte sich vor seinen Augen. Nicht nur der Druck an der Kehle peinigte ihn, auch im Kopf breiteten sich die Schmerzen aus.
Wieder griff Darkman zu.
Im nächsten Augenblick spürte Bill den Widerstand der Brüstung, gegen die er geschleudert worden war. Aber er fiel nicht über sie hinweg, denn Darkman hielt ihn fest.
Er war hinter ihn getreten. Er mußte Bill stützen, sonst wäre dieser gefallen.
Das bestimmte Darkman!
Der Reporter befand sich in einem Zustand, wo er nicht mehr alles genau mitbekam. Sein gesamter Körper war schwer geworden. Die Arme hingen wie Eisenstöcke an den Seiten herab. Die Schlinge am Hals hatte sich wieder ein wenig gelockert, so daß er einigermaßen atmen konnte.
Er würde nicht ersticken. Noch nicht.
Die Hände des Mörders glitten über seinen Körper. Das Ende des Nylonseils hatte Darkman um sein rechtes Handgelenk geschlungen. Es machte ihm nichts aus, daß dieses dünne Material in seine Haut hineinschnitt. Schmerzen verspürte er nicht.
Auf den Hüften des Reporters blieben seine Hände liegen.
Nur für einen Moment. Dann hörte Bill das Lachen. Darkman hob ihn an!
***
Schüsse?
Ich war mir nicht sicher, ob ich Schüsse gehört hatte. Doch wenn, dann konnten sie nur hinter den dicken Mauern des alten Zuchthauses aufgeklungen sein, auf das ich mit langen Schritten zulief. Wieder einmal, aber diesmal war ich allein und wurde von der Furcht getrieben.
Ich hatte Angst um das Leben der beiden Männer, aber ich durfte auch nichts überstürzen und wie ein wild gewordener Hampelmann in den Komplex hineinstürmen.
Ich mußte behutsam vorgehen, sehr vorsichtig. Zu leicht konnte ich in Darkmans Falle laufen.
Einen Vorteil hatte ich mittlerweile. Ich kannte mich einigermaßen aus und brauchte nicht erst zu suchen. Ich ging einfach davon aus, daß die Schlinge an der Hinrichtungsstätte einfach noch besetzt war und sich Darkman deshalb auf eine andere Art und Weise rächen wollte. Er hatte schon einmal einen Menschen außen vor das vergitterte Fenster gehängt. Jetzt konnte ich mir vorstellen, daß er das gleiche auch innen versuchen würde.
Der innere Atem des alten Zuchthauses packte mich. Er war etwas Besonderes. Er strömte mir aus jeder Mauerfuge und jedem Stein entgegen. Er war nicht zu hören, aber in dem alten Gemäuer hatte sich das als Erbe festgesetzt, was Dartmoor in all seiner schrecklichen Zeit an Blut, Tränen und Tod erlebt hatte.
So war dieser Block wie eine gigantische Maschine, die im Moment abgestellt worden war.
Die Schüsse hatten sich nicht wiederholt. In der dumpfen Luft, und zwar dort, wo die breite Eisentür in die Zentrale des Zuchthauses führte, blieb ich stehen.
Über mir sah ich schwach die Decke. Darunter aber verteilten sich die einzelnen Etagen. Ich sah die Galerien, die Zellentüren, und ich wußte auch, daß sich die Zelle des Mörders auf der linken Seite befand. In ihr hatte er die meiste Zeit verbracht. Erst kurz vor der Hinrichtung war er verlegt worden.
Darkman hatte seinen Geist in der Zelle zurückgelassen. Wahrscheinlich hielt er sich dort auf, aber ich sah ihn nicht und hörte auch nichts, denn die Entfernung war einfach zu groß. Das änderte sich.
Plötzlich drang ein Geräusch an meine Ohren, das ich zunächst nicht identifizieren konnte. Ich dachte schon daran, daß sich ein Tier verlaufen hätte, bis sich nahe des linken Aufgangs und direkt neben der Eisentreppe eine Gestalt aus dem Dunkel löste und über den Boden kroch.
Es war Fletcher. Dieser
Weitere Kostenlose Bücher