Verflucht, gehängt und doch lebendig
Gedanke war nur kurz. Fletchers Anblick hatte die Angst um Bill Conolly in mir steigen lassen. Aber Fletcher wußte sicherlich, wo ich meinen Freund fand.
Er riß den Mund auf, als ich vor ihm erschien. Wahrscheinlich hatte er mich nicht erkannt. Ich war für ihn ein Fremder, und da mußte er einfach schreien.
»Ist okay, Fletcher. Ist okay, ich bin es nur!« Zugleich legte ich ihm die Hand auf den Mund. Der zuckte, als wollte er mich beißen, was er dann doch nicht tat.
Ich lockerte meinen Griff. Fletcher holte Luft. Viel Zeit hatte ich nicht, und ich drängte auf die Beantwortung der Fragen. »Wo ist Bill? Wo steckt er?«
Fletcher lachte.
»Und Darkman?«
Als er wieder lachte, wußte ich Bescheid. Das war kein normales Lachen gewesen, sondern das Lachen eines Menschen, der einen bestimmten Punkt nicht hatte verkraften können. Ein Erlebnis, das einfach über seine Kräfte gegangen war und ihn in einen Zustand hineingedrückt hatte, der mit normal nicht mehr bezeichnet werden konnte.
Trotz allem war er meine einzige Hoffnung. Ich mußte jetzt bei ihm bleiben. Ich brauchte Antworten und hoffte darauf, daß er einen klaren Moment hatte. »Was ist mit Bill Conolly, Dean? Sie kennen ihn! Wo steckt er?«
Er lachte wieder und schüttelte den Kopf. »Der Tote lebt wieder«, sagte er kichernd. »Ja, er lebt. Er ist zurückgekommen. Er, er… hat sein Grab verlassen.«
»Das weiß ich, Dean. Aber wo lebt er? Ist er hier? Haben Sie ihn gesehen?«
»In der Zelle – in der Zelle…«
»Oben?«
»Er hat geschossen. Der andere lebte trotzdem…«
Nach dieser Antwort konnte ich mir einiges zusammenreimen. Ich glaubte auch daran, daß es für meinen Freund Bill Conolly nicht eben gut aussah. Konkretere Informationen würde mir Dean Fletcher in seinem Zustand kaum geben können, deshalb ließ ich ihn allein und machte mich auf den Weg. Meiner Ansicht nach konnte sich der Mörder nur in einer bestimmten Zelle aufhalten. In ihr waren auch wir schon gewesen, denn da hatten wir ihn in das unendliche Dunkel abtauchen sehen. Es war seine Zelle gewesen. Immer wieder zog es ihn dorthin. Er würde auch jetzt dort sein und sich mit Bill beschäftigen.
Daß ich so gar nichts hörte, bereitete mir schon große Sorgen. Aber auch ich bemühte mich darum, so leise wie möglich zu sein. Ich wollte niemanden warnen. An manchen Stellen trat ich nur mit den Zehenspitzen auf, aber der Druck sorgte schon für eine gewisse Bewegung im Metall, so daß es hin und wieder knirschte, als sollte es aus den Fugen gerissen werden.
Ich ging geduckt, schaute nach oben und auch in die Tiefe. Ich hatte die Ohren gespitzt. Von Fletcher hörte ich nichts mehr. Er lachte auch nicht.
Sollte alles gutgehen, würden sich die Arzte in der Psychiatrie um ihn kümmern. Das erste Stockwerk lag vor mir. Ich warf einen Blick in den Gang hinein. An der linken Seite reihte sich Tür an Tür, und an der rechten befand sich das Gitter. Ansonsten war der Gang leer. Eine Bewegung in der Mitte sah ich nicht.
Noch eine Etage!
Das Stockwerk des Teufels. Eines besonderen Satans, der seine magische Macht hinter den Gläsern einer tiefschwarzen Brille verbarg.
Ich war sicher, daß die Augen seine starke und auch seine schwache Stelle waren. Wenn ich die Brille durchstoßen und seine Augen…
Ein Geräusch lenkte mich ab.
Keine Stimme. Dafür ein Klang, als hätte jemand auf das Metall der Treppe über mir geschlagen.
Nicht in der Zelle, sondern vor ihr auf dem Gang. Von nun an drängte die Zeit noch mehr, das wußte ich, aber ich wurde auch vorsichtiger. Ein falscher Schritt, und es war vorbei.
Ich schlich auf allen vieren weiter. Vor mir lagen noch drei Stufen, dann zwei, eine – und… Ich konnte schauen.
Mein Blick fraß sich in die Düsternis des Gangs hinein. Es brannte kein Licht unter der schmutzigen Decke, die wenige Helligkeit drang aus den Zellen, deren Türen offenstanden.
Zwei Personen sah ich.
Darkman fiel mir zuerst auf. Er hatte mir seinen Rücken beinahe ganz zugedreht, aber er hatte sich auch gebückt und war dabei, jemanden in die Höhe zu hieven.
Bill!
Ich kroch weiter. Noch war die Entfernung zu weit. Ich brauchte einige Sekunden, um näher an die beiden heranzukommen. Erst dann konnte ich effektiv eingreifen.
Bill stand auf seinen Füßen. Darkman hielt sich hinter meinem Freund auf und mußte ihn festhalten, denn sonst wäre Bill gefallen. Er war einfach zu schwach.
Auch mein Herzschlag pumpte wie ein Motor, als wollte er mich immer
Weitere Kostenlose Bücher