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Verflucht sei Dostojewski

Verflucht sei Dostojewski

Titel: Verflucht sei Dostojewski Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Atiq Rahimi
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habt ihr noch in einem anderen Haus gewohnt, über der Stadt, ganz nah an den großen Felsen, in die ich am liebsten, wie Farhad, dein Bild gemeißelt hätte.
    Jeden Morgen begleitete ich dich heimlich zur Universität und am Nachmittag wieder nach Hause. Du nahmst nicht den Bus, absichtlich vielleicht. Die Haare mit einem dünnen Schleier bedeckt, den Blick auf den Boden geheftet, gingst du ganz langsam. Freudigen Herzens, weil du – wenn auch nur aus der Ferne – von mir, deinem Geliebten, begleitet wurdest, nicht wahr? Und eines Tages hast du doch gewagt, einen Zwischenfall zu inszenieren, damit ich dich ansprechen konnte. Der klassische Coup: Du ließest dein Heft fallen in der Hoffnung, dass ich es aufheben und dir zurückgeben würde. Aber nein, falsch gedacht! Ich habe es zwar aufgehoben, dir aber nie zurückgegeben. Ich habe es mitgenommen und an meine Brust gedrückt, wie den Koran. Und in dieses Heft schreibe ich dir nun.«
    Es ist dasselbe Heft, in das er zuvor geschrieben hat: » Heute habe ich nana Alia getötet .«
    Er hat auch Gedichte geschrieben, Erzählungen, alle an Suphia gerichtet natürlich, die sie aber noch nicht gelesen hat, wie dieses hier: »Düster ist die Erde. Düster ist der Tag. Doch schau mich an, Suphia, in diesem Reich der Finsternis jubelt mein Herz. Denn heute Abend werde ich dich wiedersehn!«
    »Du hast mich nicht gesehen. Vielleicht weißt du gar nicht, dass ich heute Abend bei dir gegessen habe. Ja, ich war bei dir, mit deinem Vater, bin auch deinem Bruder Dawud kurz begegnet.
    Es ist fast ein Jahr und zwei Monate her, dass ich dich aus den Augen verloren habe. Oder präziser, ein Jahr und sechsundvierzig Tage. Ja, genau. Vor einem Jahr und sechsundvierzig Tagen bin ich nach Mazar-e Scharif gereist, zu meiner Familie. Aber zu Hause war kein Platz für mich. Mein Vater, der unbedingt wollte, dass ich in der UdSSR studiere, im Land seiner Träume, war enttäuscht, dass ich zurückkam. Er ertrug mich nicht mehr. Sieben Monate später habe ich sie verlassen. Und als ich nach Kabul zurückkehrte, hatte ein anderer Krieg begonnen, ein Bruderkrieg diesmal, in dem nicht mehr im Namen der Freiheit geschossen wurde, sondern um sich zu rächen. Die ganze Stadt verkroch sich. Sie vergaß das Leben, die Freundschaft, die Liebe … Ja, in diese Stadt kehrte ich zurück, um dich zu suchen. Doch ihr wohntet nicht mehr im selben Haus. Ihr wart weggezogen, aber wohin? Niemand wusste es.
    Heute Nachmittag bin ich in die tschaichana gegangen. In dem Teehaus drängten sich bärtige Männer in einer Wolke von Tabakrauch, ich setzte mich auf eine Bank in der Ecke und trank Tee. Die Schritte eines Mannes, der umständlich die Holztreppe heraufkam, erregten meine Aufmerksamkeit. Es war dein Vater, Moharamollah, der nur noch ein Bein und Krücken unter die Arme geklemmt hatte. Ich traute meinen Augen nicht. Aber meine Begeisterung verflog schnell. Zwei Freunde folgten ihm. Der eine, ohne Krücken, hinkte stark und hatte offenbar Schmerzen, dem anderen fehlten ein Auge und der rechte Arm. Alle drei schwebten förmlich, nachdem sie im Untergeschoss, in der saqichana , Haschisch geraucht hatten. Sie setzten sich zu mir in meine Ecke. Ich rutschte zur Seite, um ihnen Platz zu machen. Dein Vater setzte sich neben mich. Er schaute mich mit einem durchdringenden Blick an, der mich unwillkürlich zum Lächeln brachte. Das reizte ihn. Mit seiner rauen, schleppenden Stimme fragte er mich: ›Lächelst du wegen eures Sieges?‹, und streckte mir den Stumpf seines abgetrennten Beines entgegen. ›Ich beglückwünsche EUCH zu diesem Sieg, bradar !‹ Ich verkniff mir das Lächeln. Ich rückte näher und sagte, ich sei weder ein dabarisch noch ein tawarisch , weder ein Bärtiger noch ein Genosse … nicht besiegt und noch weniger Sieger. Und während ich meinen Bart glattstrich, beruhigte ich ihn: Dieser Pelz sei nur ein ›Geschenk‹ des Krieges. Ich hatte den Eindruck, dass ihm diese schlagfertige Antwort imponierte. Sein Blick wurde sanfter, und er fragte mich mit ruhiger Stimme, woher ich käme. Von hier, aus Dehafghanan. ›Ich sehe dich zum ersten Mal‹, sagte er und musterte mich.
    Ich überlegte, wie ich ihm erklären könnte, dass ich dafür ihn sehr gut kennen würde, dass ich in seine Tochter verliebt sei, dass …
    Aber ich ließ es bleiben. In diesen Zeiten des Zweifels und des Verdachts darf man die Leute nicht verunsichern. Also sagte ich ihm, ich sei eben erst hierhergezogen.
    ›Und was

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