Verfolgt
meint, du triffst dich heimlich mit ihm und klaust Essen für ihn.«
»Für wen?«, frage ich scheinheilig zurück.
»Für den Jungen.« Johnny reibt sich das Gesicht. »Für den verdammten Karnickeljungen.« Ich sage nichts, sehe |257| ihn nur an. »Owen ist schon ewig hinter ihm her.« Johnny will aufstehen, aber es gelingt ihm nicht und er lässt sich wieder aufs Sofa plumpsen.
Ich sehe ihn eindringlich an. »Warum?«
Beim zweiten Anlauf klappt es. Johnny rappelt sich auf und schaut auf mich herunter. »Halt dich da lieber raus, Lexi.«
»Zu spät. Worum geht es? Warum hat es Owen auf ihn abgesehen? Raus mit der Sprache!«
»Wir müssen die drei aufhalten«, erwidert Johnny bloß. »Aber ich bin abgefüllt, ich kann nicht fahren.«
»Dann fahre ich eben.« Johnny macht ein verdutztes Gesicht.
Devlin hat mir schon vor Jahren das Autofahren beigebracht.
Ich bin im Begriff, mit einem Betrunkenen, den ich kaum kenne, ins Auto zu steigen. Ich bin wohl verrückt. Soll ich vorher lieber noch jemanden anrufen und Bescheid geben, was ich vorhabe?
Aber meine Mutter geht immer noch nicht an ihr Handy, Ella ist übers Wochenende weggefahren und Dad ist mir unter den gegebenen Umständen auch keine Hilfe. Moz ist noch in Cornwall und Devlin macht sowieso alles immer nur noch schlimmer. Außerdem … was soll ich schon sagen? Kos rastet aus, wenn ich jemandem von ihm erzähle, dabei scheint halb Bewlea über ihn Bescheid zu wissen.
»Nicht über mich reden«,
hat er gesagt.
»Versprochen?«
|258| Johnny hat eine Straße weiter geparkt. Ein paarmal muss ich ihn am Arm festhalten, damit er nicht im Rinnstein landet. Er entschuldigt sich die ganze Zeit. Das geht mir ziemlich auf die Nerven.
»Aua!« Als Johnny sich auf den Beifahrersitz schiebt, haut er sich den Kopf am Autodach an. Nach kurzer Überlegung entschließe ich mich, Ella und Mutter wenigstens eine SMS zu schreiben, damit jemand weiß, wo ich bin, falls ich nicht zurückkomme.
Bin m L. Neasdon im Wald. Owen will jmd erschießen.
Johnnys Wagen ist überraschend sauber und aufgeräumt und riecht neu. Das bedeutet hoffentlich, dass er leicht zu fahren ist. Im Türfach steckt eine Taschenlampe. Als Johnny grade nicht hinsieht, lasse ich sie in meiner Jeans verschwinden. Dann hole ich tief Luft und stelle die Spiegel ein. Den Sitz muss ich ein Stück nach vorn stellen, damit ich an die Pedale komme. Ich drehe den Zündschlüssel und der Motor springt an. Ich stoße rückwärts aus der Einfahrt. Hoffentlich hält uns kein Bulle an.
»Du riechst gut«, sagt Johnny, von Schluckauf unterbrochen. »Wie eine Blumenwiese.«
»Sie riechen eklig«, gebe ich zurück. »Nach Kotze.«
Johnny schielt zu mir herüber. Ich wende den Kopf zur Seite. Er sieht bekümmert aus. »Ich wollte dich nicht anmachen oder so«, sagt er. »Du könntest meine Tochter sein.«
|259| »Dann ist ja gut«, sage ich. Wir fahren am menschenleeren Dorfplatz vorbei. »Also noch mal«, wende ich mich an meinen Beifahrer, der zusammengesunken in seinem Sitz hängt. »Worum geht es? Wer ist dieser Karnickeljunge?«
»Lass gut sein, Lexi. Das ist doch alles Schnee von gestern.« Johnny seufzt.
Ich lasse nicht locker. »Nein. Es ist höchst aktuell. Warum sind Owen und Ihre Brüder mitten in der Nacht mit einem Gewehr in den Wald gezogen?« Ich überlege mir genau, was ich sage. Ich will nicht zugeben, dass ich Kos kenne, auch wenn Johnny Bescheid zu wissen scheint. »Ich habe von dem Gefangenenaufstand gehört …« Ein Versuchsballon.
»Ach ja?« Es klingt verblüfft.
»Ich weiß, dass Owen irgendwas damit zu tun hatte.« Das ist ein Schuss ins Blaue, aber Johnny scheint anzubeißen.
»Owen war sozusagen der vierte von uns Brüdern. Damals sind dort ’ne Menge unschöne Dinge passiert, aber wir vier haben immer zusammengehalten.«
»Was denn für Dinge?« Wo ist der verflixte Blinker? Ganz lieb und freundlich sage ich: »Mir können Sie es ruhig erzählen, Johnny.«
Er kratzt sich den Kopf. Er hat immer noch Schluckauf. »Ich hab noch nie jemandem davon erzählt, Lexi.« Ich warte ab. Johnny seufzt resigniert und redet weiter.
»Es war Weihnachten. Wir haben gefeiert. Alle haben |260| zu viel getrunken, so war das halt. Es war ein Scheißwetter, Regen, tagelang. Wir haben richtig die Sau rausgelassen.«
»Sie haben im Gefängnis gefeiert?«
»Die Aufseher. Wir fanden, wir hätten eine kleine Party verdient. Es war ein ziemlicher Scheißjob, den wir da machen
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