Verfolgt
uns abhauen, Mann!«, ruft Lucas. »Es sind zu viele. Scheiße!« Ich glaube, ein Hund hat ihn gebissen. Eine schattenhafte Gestalt läuft Richtung Ausgang. Ein kleinerer Schatten läuft nebenher, springt an dem Flüchtenden hoch und zwickt ihn in die Waden. Owen meldet sich wieder zu Wort.
»Diesmal hast du Schwein gehabt, Karnickeljunge. Aber deine kleine Freundin kann dir nicht jedes Mal beistehen.«
Schwarze Schemen kommen geduckt auf ihn zu, hecheln und knurren.
»RAAAAHHHH!«, brüllt Owen und ein paar Tiere weichen erschrocken zurück, sind aber sofort wieder da. Sogar für Owen sind es zu viele. Sie folgen ihm, als er hinausläuft, springen an ihm hoch und schnappen nach ihm. Man hört es fluchen, jaulen und poltern.
»Ich komme wieder!«, brüllt Owen von der Treppe aus. »Und dann knall ich deine verdammten Mistviecher ab! Alle!«
Dann ist er weg.
Kos liegt auf dem Fußboden. Er atmet mühsam. Bestimmt hat er viel Blut verloren. Er braucht dringend einen Arzt, aber ich traue mich nicht, ihn allein zu lassen. Wenn Owen es sich anders überlegt und zurückkommt? |290| Und wenn Kos erst mal im Krankenhaus ist, können wir uns dann überhaupt noch wiedersehen? Was wird dann aus ihm? Ich ziehe ihn hoch und lehne ihn an die Waschmaschine. Es tut ihm weh, denn er wimmert leise.
»Was soll ich machen, Kos?«, frage ich leise.
Er gibt ein komisches Geräusch von sich, eine Art Glucksen. Lieber Gott, bitte mach, dass er keinen Anfall oder so bekommt!
»Kuss!«, sagt er heiser. Bitte sehr. Ich verpasse ihm den Kuss seines Lebens, Schweiß, Blut und Gestank hin oder her. Als ich ihn mit klopfendem Herzen wieder loslasse, sehe ich, dass goldenes Licht durch die Gitterfenster hereinflutet.
Es wird hell. Endlich.
»Los«, sage ich. »Wir müssen hier weg, bevor sie wiederkommen.« Da höre ich im Nachbarkeller knirschende Schritte. Kos und ich sehen einander erschrocken an. Owen? Jetzt schon? Wo sind die Hunde? Jetzt macht Owen kurzen Prozess mit uns, das ist klar.
Ein Licht erscheint im Durchgang. Dahinter steht ein schwarzer Umriss. Wer ist das?
»Lass ihn in Ruhe, du Mörder!«, schreie ich. »Er hat dir nichts getan!« Kos stöhnt vor Schmerzen.
»Ich bin’s«, sagt der Umriss. Das ist nicht Owen. Dann muss es einer der Drillinge sein. Aber irgendwie kommt mir die Gestalt bekannt vor. Er hebt die Taschenlampe und leuchtet sich ins Gesicht.
»Jak?«
|291| »Ich hab Lärm gehört, Hunde …« Es ist tatsächlich Jak!
»Was willst du denn …«, fange ich an, aber er sieht mich gar nicht an. Ehe ich weiterreden kann, ist er quer durch den Raum gelaufen und kniet neben Kos. Er redet irgendwelches unverständliche Zeug. Kos sieht total verwirrt aus.
»Weg da!«, fauche ich. »Sonst trete ich.« Kommt nicht infrage, dass er sich die Belohnung verdient und Kos den Bullen ausliefert.
Jak bleibt, wo er ist, und ich verpasse ihm einen kräftigen Tritt. Aber im selben Augenblick glaube ich ihn »Kos?« sagen zu hören.
»Aua! Hör auf, Lexi. Ich tu ihm nichts.« Jak hält sich das Bein.
»Geldgieriger Verräter«, schimpfe ich. »Geh gefälligst Hilfe holen! Und wehe, du verpfeifst uns, weil du auf die Belohnung scharf bist!«
»Mensch, Lexi!« Jak lässt Kos nicht aus den Augen. »Ich glaube, ich habe meinen Bruder wiedergefunden!«
|292| ZUFLUCHT
Kos sieht Jak mit großen Augen an. Mein Blick wandert zwischen den beiden hin und her. Das Morgenlicht fällt auf ihre Gesichter. Brüder? Ich zittere vor Aufregung und Kälte. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass Kos eine Familie hat. Für mich ist er einfach nur Kos. Der verwilderte, verrückte Kos. Jemand wie er hat doch keinen Bruder, der in einer Hotelküche jobbt. Es gibt noch vieles, das ich über Kos nicht weiß. Aber das ist mir jetzt egal. Ich will ihn bloß hier wegbringen. Jak kniet neben Kos und redet in einer Sprache auf ihn ein, die ich nicht verstehe. Er wiederholt immer wieder dasselbe:
»Vella, vella, Kos.«
Aber Kos schüttelt den Kopf.
»Pass mal auf, Jak«, sage ich. »Ich weiß nicht, was du vorhast, aber wir müssen Kos hier wegbringen. Owen kommt bestimmt gleich zurück.«
Jak kann den Blick nicht von Kos lassen. »Die Hunde haben die Männer in den Wald gejagt«, sagt er, ohne sich umzudrehen. »Wir haben noch ein bisschen Zeit.« Kos macht die Augen zu. Das ist alles zu viel für ihn. Das Kinn sinkt ihm auf die Brust. Wir müssen uns beeilen. Einer von uns muss losgehen und einen Krankenwagen holen. |293| Hoffentlich ist
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