Verfolgt
vereinten Kräften auf. Das dauert und tut weh. Dann klirrt es kurz, Kos stöhnt und ich bekomme einen Schreck, weil ich denke, das Ding ist wieder zugeschnappt, aber das Maul der Falle klafft jetzt weit auf. Wir haben es geschafft. Kos seufzt abgrundtief, als das blutverschmierte Teufelsding von ihm abfällt. Komisch, was einem manchmal so durch den Kopf geht, aber ich muss an dieses Spiel denken, wo man einen verdrillten, elektrisch geladenen Draht und eine Metallschlinge hat und die Schlinge über den Draht führen muss, ohne dass man ihn berührt und der Summer losgeht. Nur dass in unserem Fall die Schlinge eine Eisenfalle und der Draht aus Fleisch und Blut ist.
Blut. Viel Blut.
»Jetzt wird alles gut, Kos«, sage ich leise. Er zittert |283| krampfhaft und klappert mit den Zähnen. Als ich ihm mit dem T-Shirt das Bein abbinde, klammert er sich vor Schmerzen keuchend an mich. Blöd, dass ich mich nicht besser auskenne, aber ich bin bei den Pfadfindern rausgeflogen, bevor ich mein erstes Abzeichen machen konnte. Ich weiß nur so viel, dass das Bein gesäubert, mit literweise Jod desinfiziert und genäht werden müsste, aber das kann ich hier leider nicht leisten. Kos gibt keinen Laut mehr von sich. Er ist wie weggetreten, statt mit mir zu reden, muss er sich drauf konzentrieren, nicht ohnmächtig zu werden und am Leben zu bleiben. Hoffentlich bleiben keine Stofffusseln in der Wunde kleben, aber das kann ich jetzt auch nicht ändern. Ich muss Kos ins Krankenhaus bringen. Mir kommt der Gedanke, dass er dort verhaftet und anschließend in irgendein gottverlassenes Land abgeschoben werden könnte. Ich betrachte sein leichenblasses Gesicht. Wenn ich ihn nicht ins Krankenhaus bringe, stirbt er auf jeden Fall. So verdreht, wie sein Bein aussieht, ist es wahrscheinlich gebrochen. Neben uns liegt die grässliche Falle. Ich schlage mit dem Besenstiel auf die Eisenplatte und das Ding schnappt sofort zu, reißt mir den Besenstiel aus der Hand und beißt ihn durch. Emily fällt mir ein. Wenn ich es schaffe, Kos zu ihr zu bringen, können wir beide überlegen, was jetzt am besten zu tun ist. Hoffentlich wartet Johnny noch beim Auto.
»Kos …«, sage ich leise, unterbreche mich aber. Ich höre gedämpfte Männerstimmen und knipse sofort die Taschenlampe aus. Kos hat es auch gehört. Sein Atem |284| geht schneller. Wo kommen die denn auf einmal her? Kos ist weiß wie ein Laken. Er kann nicht mehr weglaufen.
»Pass auf, Kos«, sage ich, »wir müssen uns verstecken, klar? Ver-ste-cken.«
»Polisei?«, flüstert er.
»Ja. Komm.«
Er steht mühsam auf und stützt sich schwer auf mich. Aber wo sollen wir hin? Durch die Gitterfenster kann ich die Männer reden hören. Sie stehen direkt davor. Die Scheißkerle geben sich keinerlei Mühe mehr, leise zu sein, scheinen es nicht nötig zu haben.
»Ey, guckt mal!«, ruft jemand, Lucas vermutlich. Kröte kläfft.
Anscheinend haben sie entdeckt, dass die Falle weg ist.
»WIR HABEN IHN!«, jubelt Owen. »Na endlich!«
Kos zittert. »Lauf!«, flüstert er und versetzt mir einen Schubs. Soll ich weglaufen und Hilfe holen? Ich bin unschlüssig. Aber die drei würden Kos finden, ehe ich wieder da wäre. Ich sehe schon vor mir, wie Owen das Gewehr anlegt.
Sie sind gleich da und Kos atmet so hektisch, dass ich schon fürchte, er kriegt irgendeinen Anfall oder so. »Los, in die Maschine!«, sage ich. Ich halte eine der Riesenwaschmaschinen auf und schiebe Kos hinein. Er sträubt sich. »Mach schon«, sage ich. »Sonst kriegen sie uns.« Vor Schmerzen ächzend klettert er in die Trommel und ich quetsche mich hinterher. O Gott. Ob das richtig war?
»Häschen in der Grube …«
|285| Owen trällert vor sich hin. Sein Gesang hallt in dem Flur von der Leichenhalle zur Wäscherei wider. Gleich ist er da.
»… saß und schlief …«
Kos ächzt leise, als ich mich auf seinen Fuß setze, und ich mache »Pst!«. Ich muss den Kopf einziehen. Zusammengepfercht hocken wir in der großen Trommel. Eine ölige Flüssigkeit durchweicht meine Jeans und ein hartes, brüchiges Stück lose Gummidichtung bohrt sich mir in die Wange.
»… armes Häschen, bist du krank …«
Durch die runde Tür erkenne ich undeutlich zwei Gestalten. Ich halte den Atem an und drücke Kos’ Hand.
»… dass du nicht mehr hüpfen kannst …«
Lucas stößt die Falle mit dem Fuß an. »Sieht mir ganz so aus, als hätten wir unser fettes Karnickel gefangen.«
Sie stehen dicht vor uns. Wenn ich die
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