Verführe niemals Deinen Mann
„Sie befinden sich in meinem Haus, und hier bestimme ich und nur ich. Und ich will jetzt hören, was Sie mir zu sagen haben. Also los.“
Einen Augenblick lang schien es, als wollte der ungebetene Gast widersprechen, aber dann zuckte er nur gleichgültig mit den Schultern.
„Eigentlich ist es ganz einfach“, erklärte Jean Claude. „Die liebreizende Julie und ich wurden nie wirklich geschieden. Sie haben also eine verheiratete Frau geehelicht, guter Mann.“
Julie konnte kaum glauben, dass dies alles wirklich passierte. Wie von ferne drangen die Geräusche der Hochzeitsfeier, die Musik, das Lachen und Plaudern, an ihr Ohr. Sie blickte auf ihren Ehering, der im Sonnenlicht funkelte. Erst vor einer Stunde hatte Travis ihn ihr angesteckt. Warum zum Teufel hatte Jean Claude die Hochzeit nicht vorher verhindert? Bevor es zu spät war?
„Ich bin nicht Ihr ‚guter Mann‘“, sagte Travis leise. Seine Stimme klang dabei so bedrohlich, dass Jean Claude, hätte er einen Funken Intelligenz besessen, besser in Deckung gegangen wäre. Doch stattdessen hob er das Glas Wein hoch, das er sich selbst eingeschenkt hatte, und schnüffelte angewidert daran.
„Wir wollen doch erst mal festhalten, dass ich hier der Geschädigte bin, mon ami“, gab Jean Claude zurück. Er nahm einen Schluck von dem Wein, behielt ihn kurz prüfend im Mund und grimassierte dann, als müsse er sich zwingen, ihn herunterzuschlucken. Unverkennbar wollte er mit dieser kleinen Pantomime die King-Weine herabwürdigen. „Das sehen Sie doch auch so, oder?“
„Ich sehe nur eins“, knurrte Travis. „Den plumpen Versuch einer Erpressung.“
„Erpressung? Welch hässliches Wort.“ Jean Claude ging auf Julie zu und legte ihr eine Hand auf die Schulter.
Sie stand auf und entzog sich seiner Berührung. Jean Claude würde sie nicht noch einmal fertigmachen. Einmal im Leben war mehr als genug.
„Ich bin nur hier, weil ich mich moralisch dazu verpflichtet fühle.“ Der Franzose lächelte, stellte das Weinglas ab und sah sich um, als hielte er nach etwas Besserem Ausschau.
„Aber klar, davon bin ich überzeugt“, sagte Travis ironisch und warf Julie einen bitteren Blick zu.
Sie begegnete ihm offen und versuchte ihm damit zu signalisieren, dass sie mit der ganzen Sache nichts zu tun hatte. Was hier ablief, war allein Jean Claudes Werk.
Der Franzose ging in aller Seelenruhe im Zimmer auf und ab, inspizierte die Einrichtung, studierte die Signatur auf einem Gemälde, das das Weingut zeigte. All das, als ob ihm Travis’ aufsteigende Wut völlig gleichgütig wäre. Und wahrscheinlich ist sie ihm tatsächlich gleichgültig, dachte Julie. Dieser Mann verfolgte seine Ziele völlig geradlinig und ohne Rücksicht auf Verluste, das wusste sie. So gut kannte sie ihn immerhin. Er sah nur, was er sehen wollte.
„Und warum bist du jetzt wirklich hier, Jean Claude?“, fragte sie. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dass er endlich verschwand. Aber ihr war klar, dass er erst gehen würde, wenn er endlich seine Forderung ausgesprochen hatte.
„Warum?“ Jean Claude lächelte sie herablassend an. „Das ist doch wohl klar, chérie .“
Sie brauchte Travis nicht anzusehen, sie spürte seine Wut auch so. Stattdessen blickte sie auf den Mann, dem sie einst Liebe und Treue geschworen hatte – und sah nur einen Fremden. „Bitte erklär es mir, Jean Claude.“
Er seufzte. „Also gut. Als ich gelesen habe, dass meine liebe Julie einen Mann aus dem mächtigen King-Clan heiratet, war mir klar, dass ich kommen musste.“
„Soso“, stieß Travis hervor, stellte sich neben Julie und verschränkte die Arme. Er wirkte ungeheuer kampfeslustig. „Und warum haben Sie bis nach der Eheschließung gewartet, bevor Sie sich gemeldet haben?“
Jean Claude grinste ihn an. „Nun, wenn ich vorher etwas gesagt hätte, wäre vielleicht die Presse aufmerksam geworden.“ Sein Grinsen wurde noch breiter. „Und das wäre doch mit Sicherheit nicht in Ihrem Sinne.“
Die Presse. Julie war klar: Das wäre ein gefundenes Fressen für die Schmierfinken. Schwerreicher Weingutbesitzer heiratet Bigamistin. Oh ja, das wäre eine tolle Schlagzeile. Oder vielleicht noch besser: Kings Königin – eine Mogelpackung. Ihr wurde ganz anders. Jean Claude war gekommen, um Travis zu erpressen. Eine andere Erklärung gab es nicht.
Die bösen Blicke, die Travis seinem Kontrahenten zuwarf, schienen von jenem abzuprallen wie Geschosse von Supermans Brustkorb. Travis hegte eindeutig die
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