Verfuehren
Lippen auf seinem Fleisch, nicht auf seinem Hemd spüren.
„Was ist passiert?“ Ihre Hand fiel von seinem Gesicht auf seine Brust. Er öffnete langsam seine Augen und schaute zu ihr herüber. Sie starrte herunter auf ihre Hand auf seiner Brust, ihr Herz jetzt wild schlagend, als ob sie durch sein blutbeflecktes Hemd auf sein vernarbtes Fleisch sehen konnte und sich die Dinge selbst zusammenreimte. „Hat es etwas damit zu tun, was dir geschehen ist? Hat dich jemand verletzt und Snow veranlasst, die Kontrolle zu verlieren?“
Antoine lachte höhnisch. „Nein.“
Er stand auf und ging im Zimmer auf und ab, brauchte Platz.
„Ich war so damit beschäftigt nach Anya zu suchen, dass ich die Warnsignale nicht sah. Snow hatte die Tiefe dessen gebeichtet, was er durchmachte. Er hatte sich mir anvertraut und ich hätte alles fallen lassen müssen, damit ich ihm hätte helfen können. Stattdessen jagte ich einem Geist hinterher.“
Er streckte seine Sinne aus, über den Korridor und in Snows Zimmer. Sein Bruder war friedlich, ruhig, und die Tiefe dessen überraschte ihn. Es war am Ende doch etwas dran an Lilahs Wiegenliedern.
„Snow hatte eine schlechte Nacht.“
„Wie schlecht?“ Die Frage war vorsichtig, behutsam und vermittelte, dass Sera genau wusste, wie schlecht, aber hören musste, dass er es sagte.
Niemals könnte sie sich das Blutbad vorstellen, das er miterlebt hatte.
Antoine wandte sich ihr zu, schwach von dem Griff, den die Erinnerungen an diese Nacht auf sein Herz und seinen Verstand hatten.
„Ein Wach-Albtraum.“ Diese beiden Worte passten perfekt auf die Szenen, die sich in seinem Kopf abspielten.
Sera streckte ihre Hand nach ihm aus und er ging zu ihr, ließ seine Hand in ihre gleiten und erlaubte ihr, ihn dazu zu bringen, sich auf den Rand des Bettes zu setzen. Sie legte ihre Arme um ihn und er wich ihr nicht aus, saugte einfach den Trost auf, den sie ihm bot, und fragte sich, welches himmlische Wesen sie auf die Erde und in sein Leben gebracht hatte. Es fühlte sich an, als wäre sie für ihn gemacht worden.
„Ich habe noch nie jemandem davon erzählt. Nicht einmal Snow kennt die ganze Geschichte ... obwohl ich vermute, dass er sich an mehr erinnert, als er zugibt.“
Sie verkrampfte sich nicht. Sie begann mit einer langsamen Bewegung ihrer Hand über seinen Rücken, streichelnd und beruhigend, seine Schmerzen besänftigend, damit er sprechen konnte.
Warum fühlte es sich so richtig an, ihr all dies anzuvertrauen? Er hatte es so lange in seinem Innersten zurückgehalten. Jeder wusste, dass er und Snow keine andere Familie hatten, aber keiner hatte jemals gefragt, warum. Keiner außer ihm und seinem Bruder wusste, was in jener Nacht auf ihrem Familiensitz passiert war.
„Was du heute Nacht gesehen hast ... das ist Snow an einem guten Tag.“ Er legte seinen Kopf auf ihre schlanke Schulter, mehr Trost und Wärme von ihr suchend. Ihm war kalt. Er konnte immer noch die eisige Schneeböe spüren, die ihm in jener Winternacht in die Knochen gefahren war. Er konnte immer noch den frisch gefallenen Puder sehen, dunkel besudelt mit Blut. Dieser Ort, der solch ein zentraler Bestandteil seines Lebens gewesen war, voll von Glück und Geborgenheit, Liebe und Wärme, war zu einer schrecklichen Vision des Horrors geworden, die seine Erinnerungen an seine Zeit dort verpestet hatten. Seine Zukunft, wie auch seine Vergangenheit waren in jener Nacht zerstört worden. „Ich kam spät nach Hause. Es war kaum mehr als ein paar Stunden vor der Morgendämmerung. Es schneite stark und die Außenanlagen waren merkwürdig ruhig ... die Art von Stille, die dafür sorgt, dass sich die Haare in deinem Nacken aufstellen, und die deine Sinne in höchste Alarmbereitschaft versetzt.“
„Gott, Antoine ... Snow hat nicht—“ sie unterbrach sich selbst, als ob es zu schrecklich wäre, ihre Schlussfolgerung zu äußern, geschweige denn zu hören, dass er bestätigte, dass sie richtig war.
„Es gab von der Vorderseite des Hauses keine Anzeichen für das Gemetzel, aber beim Eintreten fand ich ein Blutbad vor. Meine Familie, von den Kindern meiner Cousins, über meine Tanten und Onkel, alle waren bis zu dem Punkt zerfleischt, dass ich keinen von ihnen mehr erkennen konnte. Ich hatte gedacht, es wären Jäger gewesen, aber der Angriff war zu brutal. Werwölfe kamen mir als Nächstes in den Sinn. Ich hörte draußen ein Geräusch, von der Rückseite des Hauses kommend. Jedes Zimmer, das ich durchquerte, um es zu
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