Verführerische Maskerade
dieses Haus kommen, und wir reden darüber, dass ich sie noch nicht einmal begrüßen darf, obwohl ich die Hausherrin bin. Außerdem habe ich den Eindruck, dass du gar nicht ernsthaft mit ihnen befreundet bist. Nie spielt ihr Karten, nie lädtst du sie zum Dinner ein. Stattdessen schließt du dich für eine Stunde in die Bibliothek ein, bevor sie das Haus wieder verlassen. Natürlich macht mich das neugierig. Sind sie eigentlich verheiratet?«
»Nicht hier«, erwiderte Alex. »Sonst hätte es sich anders abgespielt. Es wäre angemessen gewesen, sie einzuladen und sich mit ihnen zu unterhalten. In der Gegenwart der Ehefrauen anderer Männer fühlen russische Männer sich ohne ihre eigenen Frauen nicht wohl«, log Alex verzweifelt, aber ohne mit der Wimper zu zucken. Offenbar konnte er nicht damit rechnen, dass seine Befehle ohne Widerrede befolgt wurden. Jedenfalls nicht von dieser Frau. Aber noch weniger durfte er es riskieren, dass solche Vorfälle wie heute Vormittag sich wiederholten.
»Worüber redet ihr denn bei diesen Besuchen?«, hakte Livia nach.
»Wir trinken Wodka und unterhalten uns über Mütterchen Russland«, erklärte Alex.
»Wenn du deine Heimat so sehr vermisst, warum hast du sie dann verlassen?« Livia konnte ihre Neugier kaum zügeln und hielt sich nicht lange mit dem Gedanken auf, dass er sie kaum geheiratet hätte, wenn er in Russland geblieben wäre.
»Ich bin zur Hälfte Engländer und wollte diese Hälfte in mir kennen lernen«, fuhr Alex fort, »können wir dieses Verhör jetzt beenden? Es ist langsam ermüdend.« Seine Stimme klang scharf, und die Augen blitzten kalt.
»Bitte entschuldige, ich habe gar nicht gemerkt, dass es ein Verhör ist«, meinte Livia. »Leider weiß ich immer noch sehr wenig über dich. Und mit jedem Tag, den wir verbringen, scheint meine Unwissenheit noch zu wachsen, anstatt kleiner zu werden. Ist es wirklich so falsch, dass ich den Mann besser kennen lernen will, den ich geheiratet habe?«
Höchste Zeit für ein paar versöhnende Worte. »Nein, meine Liebe, natürlich nicht.« Er durchquerte den Salon, nahm ihre Hände und zog sie hoch. »Das gilt doch auch für mich, musst du wissen. Mir geht es auch so, dass ich jeden Tag ein wenig mehr über dich lerne. Trotzdem weiß ich immer noch viel zu wenig über meine Frau.« Mit dem Daumen fuhr er die Konturen ihrer Lippen nach.
»Aber ich verstecke mich nicht vor dir«, protestierte Livia, obwohl sie merkte, wie sie innerlich weicher wurde. Ihre harte Entschlossenheit besänftigte sich unter seinem zärtlichen Blick, und es tat ihr unendlich gut, dass Alex endlich wieder sein anderes Gesicht zeigte.
»Das musst du auch nicht«, beschwichtigte Alex. »Vor ein paar Monaten habe ich noch nicht einmal gewusst, dass es dich überhaupt gibt. Die langen Jahre zuvor haben dich zu der Frau gemacht, die jetzt aus dir geworden ist … ich möchte gern mehr über diese Jahre wissen.« Es klang wie eine Bitte. »Wir sollten uns die Zeit gönnen, die wir brauchen. Wir sollten nichts überstürzen.«
Da war es schon wieder. Offenbar war es nicht möglich, dass sie auf ihrer Meinung beharrte, ohne launisch, grimmig und ungnädig zu erscheinen. Dabei war Livia vollkommen klar, dass sie weder das eine noch das andere war.
»Aber ich versuche doch gar nicht, die Dinge zu überstürzen«, widersprach sie und lächelte zaghaft. »Aber du bist wie ein Rätsel, das sich nicht auflösen lässt, Alex. Solche Rätsel habe ich noch nie gemocht.«
Er schien verzweifelt. »Gut. Ich will dir eine Antwort geben. Allerdings nur, wenn du versprichst, kein Wort mehr über die Angelegenheit zu verlieren. Außerdem erwarte ich, dass du dich so benimmst, wie ich es wünsche, was diese Männer betrifft. Können wir uns darauf einigen?«
»Ja.«
»Viele Emigranten haben Russland ohne einen Penny verlassen. In manchen Fällen haben sie ihr Land, ihr Vermögen und ihren gesamten Besitz zurücklassen müssen. In anderen Fällen ist ihr gesamter Besitz vom Zaren konfisziert worden. Ich kann ihnen finanziell unter die Arme greifen. Aber die Männer haben ihren Stolz. Und es würde ihnen nicht gefallen, dass ich mich dir anvertraut habe.«
»Verstehe.« Mehr fiel Livia nicht ein. Es sah so aus, als hätte er das Geheimnis gelüftet, und noch dazu auf eine Art, die sie sehr gut begreifen konnte. Natürlich kam es für ihn nicht infrage, die finanzielle Not seiner Landsleute jemandem zu offenbaren, der nicht zu seinen Kreisen gehörte. Jemandem, der
Weitere Kostenlose Bücher