Verführerische Unschuld
griff sie hinter sich und drehte den Schlüssel im Türschloss. „Weise mich nicht ab.“
„Du bist verrückt! Geh, ehe es zu spät ist und jemand merkt, dass du hier warst. Wenn wir erwischt werden, ist der Teufel los! Geh, Esme, noch ist deine Ehre nicht beschädigt.“
Sie löste ihren Gürtel und ließ das Negligé langsam von ihren Schultern und zu Boden gleiten. Nackt stand sie vor ihm; sie las Begierde in seinen Augen. Mit klopfendem Herzen wartete sie auf seine Reaktion. Es schien ihr Ewigkeiten zu dauern, ehe er sich rührte, doch sie hörte, dass er schwer und unregelmäßig atmete.
Dann war er mit raschem Schritt bei ihr, hob das Gewand auf, packte sie grob bei den Schultern und drehte sie zur Tür, um sie hinauszubefördern. Doch ein Blick auf ihren Rücken ließ ihn scharf aufkeuchen; das Negligé glitt ihm aus den starren Fingern.
Esme drehte sich um, nahm das Kleidungsstück auf und zog es rasch über, um die Narben zu bedecken. Hastig stieß sie hervor: „Nun hast du es doch gesehen! Ich dachte, im Dunkeln fiele es nicht auf, oder dass es nichts ausmachte. Die Narben verlaufen weit genug unterhalb der Schultern, dass selbst ein Abendkleid sie bedeckt. Aber wenn du mich schon abweist, sag mir wenigstens ehrlich, ob sie so abstoßend sind, dass ein Mann sich von mir abwenden würde.“
Behutsam schob er den Stoff von ihren Schultern. Sie spürte seinen Atem auf ihrer bloßen Haut, während er mit den Fingern den Malen nachfuhr, die ihren Rücken verunstalteten. „Wer hat das getan?“, fragte er mit kalter Wut.
„Mein Vater. An dem Tag, als meine Mutter ihn verlassen hatte. Er war zu Pferde unterwegs gewesen und hielt die Reitpeitsche noch in der Hand, als er den Brief fand. Nie zuvor hatte ich ihn so wütend gesehen, er tobte! Als ich fragte, was geschehen sei, schrie er, meine Mutter sei eine dreckige Hure, und ich würde ihr bestimmt nacheifern, wenn er mich nicht eines Besseren belehrte. Dann schlug er mich.“ Wenn sie die Augen schloss, hörte sie noch heute, wie die Peitsche durch die Luft pfiff, und spürte den schneidenden Schmerz, wenn sie in ihre Haut schnitt. „Als er endlich aufhörte, rannte ich panisch davon und versteckte mich auf dem Speicher, wo mich die Diener erst nach Stunden fanden. Meine Gouvernante fürchtete sich so sehr vor ihm, dass sie nichts unternahm, außer mich zu trösten, während ein Hausmädchen die Wunden reinigte. Das schmerzte beinahe ebenso wie vorher die Schläge, denn inzwischen hatte sich der Stoff meines Kleides mit den blutigen Wunden verklebt.“ Mit bitterem Lächeln fügte sie hinzu: „Später sah er sich vor, mich nur so zu schlagen, dass keine Narben zurückblieben. Ein Schlag mit der flachen Hand mag einen Bluterguss verursachen, der jedoch bald verblasst, und wenn er mich mit seinem Stock schlägt, sieht er sich vor, dass die Haut nicht aufplatzt. Oder er knufft mich mit der Faust, um mich zu maßregeln.“
„Ich bringe ihn um!“
„Nein. Wozu wäre das gut? Er wäre tot, aber du müsstest dafür in den Kerker.“
Er nahm sie in die Arme und drückte sie fest an sich.
Leise murmelte sie: „Ich habe Angst, dass ein Mann, der die Narben sieht, denken muss …“, sie schluckte schwer und zwang sich weiterzusprechen, „… ich hätte etwas so Schlimmes getan, dass die Schläge verdient waren. Aber wenn er vielleicht glaubte, dass ich … dass ich nichts dafür konnte …“ Die Stimme brach ihr. Kaum hörbar wisperte Esme nach einer Weile: „Wird es sehr wehtun?“
„Nein“, flüsterte er heiser an ihrem Ohr. „Du denkst an die Entjungferung, doch das ist ein einmaliger kurzer Schmerz.
Wenn du ihn fürchtest, Esme, will ich dieses eine für dich tun, aber erwarte nicht mehr. Heiraten kann ich dich nicht, und ein anderes Arrangement will ich dir nicht anbieten. Wenn es so weit ist und dein Gatte zu dir kommt, spiel die zimperliche angstvolle Jungfrau und narre ihn, indem du das Laken mit einem Tropfen Blut befleckst. Wenn wir erregt sind, lassen wir Männer uns leicht hinters Licht führen.“
Er löste sich von ihr, zog seinen Hausmantel aus und umschlang sie abermals. Warm spürte sie seine Haut an der ihren. Er vergrub seine Hände in ihrem Haar und suchte ihre Lippen, die sie ihm bereitwillig öffnete. Innig erwiderte sie seinen Kuss.
Suchend fuhr sein Mund über ihre Kehle, küsste zärtlich die Spitzen ihrer Brüste, während er murmelte: „Hab keine Angst, Esme. Du bist so unschuldsvoll und weich und warm.“ Er
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