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Verführerische Unschuld

Verführerische Unschuld

Titel: Verführerische Unschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CHRISTINE MERRILL
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überlegte.
    „Ich mache das zum ersten Mal, deshalb weiß ich nicht, wie ich das Angebot formulieren soll …“ Abermals räusperte er sich. „Ich möchte dich hier wegholen und biete dir eine Wohnung. Ich werde alle Kosten tragen, und im Gegenzug …“
    Emily verzog wissend die Lippen.
    „… verlange ich nur, dass du aus dem Fenster schaust.“
    Jetzt sah sie völlig verwirrt drein.
    „Und mir natürlich deine Beobachtungen mitteilst. Brieflich. Du kannst doch schreiben? Denn ich halte mich besser möglichst fern, während du mir haarklein berichtest, was im Zimmer auf der anderen Straßenseite vorgeht. Ich muss wissen, dass es der Dame, die dort wohnt, gut geht.“
    Alle schwiegen verblüfft, schließlich fragte Emily: „Sie ge ben mir carte blanche, Euer Lordschaft? Dafür, dass ich am Fenster sitze und hinausschaue?“
    „Und mir von der Dame berichtest. Meinetwegen kannst du dir das Apartment heute ansehen. Du kannst es behalten, so lange du willst.“
    Da lachte sie so fröhlich auf, wie er es in diesem Haus noch nie gehört hatte.
    „Soll ich Ihnen Tee nachschenken, Miss Esme?“
    „Nein, danke, Meg, es ist gut.“
    „Vielleicht noch ein wenig Brot? Und die Köchin hat heute die leckeren Kuchen gebacken, die Sie immer so gern aßen.“
    Esme schob die Speisen auf ihrem Teller lustlos hin und her. „Nein, danke, ich bin satt.“
    Besorgt flüsterte die Zofe: „Sie müssen mehr zu sich nehmen, Miss. Sie essen wie ein Spatz.“
    Verzweifelt sah Esme auf. „Morgen vielleicht. Ich fühle mich heute nicht wohl.“
    Meg nickte mitfühlend. „Ich weiß, was Sie brauchen! Ich bringe Ihnen einen Kräutertee, dann geht es Ihnen bald wieder besser.“ Sie verließ das Zimmer, und gleich darauf hörte Esme das Klicken des Türschlosses. Meg war streng angewiesen, die Tür stets hinter sich abzuschließen. „Damit meine Tochter nicht wieder nachtwandelt“, hatte Mr. Canville ernst erklärt.
    Esme starrte aus dem Fenster zu dem Apartment gegen über. Es schien leer zu sein. Wozu es gut wäre, ihn zu sehen, wusste sie nicht zu sagen, denn ein einziger Blick, und sie wäre nicht imstande, bis zu ihrer Hochzeit durchzuhalten. Es gab nämlich nur einen Weg, diesem Zimmer zu entkommen: Sie musste sich freiwillig und ohne zu jammern dem neuen Ehegatten übereignen.
    Ehegatte! Sie musste sich zwingen, Halverston so zu sehen. Doch selbst gewappnet durch ein paar Glas Wein hatte sie seine Berührungen kaum ertragen können, weder auf dem Tanzparkett noch später auf der Terrasse, als er ihr widerwärtige Dinge ins Ohr geflüstert und, von den Gästen nur durch die Glastür getrennt, ihren Körper befingert hatte. Aber er würde bestimmt bald sterben, dann wäre sie endlich frei!
    Auf jeden Fall war es besser, wenn sie Radwell nicht sah, ehe die Ehe geschlossen war und sie sich an das neue Leben gewöhnt hatte.
    Abermals wanderte ihr Blick zu dessen Apartment. Bei dem Gedanken, dort vielleicht bald wieder eine seiner Geliebten zu sehen, wurde ihr ganz schwach. Doch sie schalt sich wegen ihrer Empfindlichkeit. Natürlich würde er andere Frauen haben, und sie sollte dankbar sein, dass er die nicht hier vor ihrer Nase paradieren ließ. Sowieso war es töricht, an ihn zu denken, und töricht, zu hoffen, er werde aus Sehnsucht, sie zu sehen, in sein Apartment zurückkehren. Der Gipfel der Narrheit war allerdings der Brief, den sie ihm geschrieben, mit dem sie sich als genauso grün und unerfahren erwiesen hatte, wie er ihr stets unterstellte. Wahrscheinlich war sein Interesse an ihr schon längst geschwunden.
    Wäre sie doch wenigstens guter Hoffnung! Sicher würde das alle Probleme lösen – allerdings auch neue schaffen. Aber wenn sie Radwell einen Erben präsentieren konnte, würde er … Hastig verdrängte sie diesen Traum. Er konnte nicht einmal für eine Gattin den Unterhalt bestreiten, geschweige denn auch noch für ein Kind! Außerdem hatte sich diese Überlegung längst erledigt.
    Plötzlich flackerte ein Lichtschein hinter den Fenstern auf der anderen Straßenseite. Gegen besseres Wissen löschte sie rasch die Lampen, um mehr erkennen zu können. Ein Diener, es schien dieser Mann namens Toby zu sein, zündete drüben die Kerzen an, zog die Schutzhüllen von den Möbeln und entfachte Feuer im Kamin. Dann betrat jemand den Raum – eine junge Frau, nicht älter als sie, Esme, selbst. Sie trug ein Seidenkleid, das abgetragen, doch ein wenig zu grell wirkte; auch saß es schlecht. Ein wenig unsicher betrachtete

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