Verführerische Unschuld
hinreißen. Sie hätte viel gegeben, damit ihr Vater so stolz auf sie sein könnte! Aber stattdessen hatte Paddy einen Ersatzsohn gefunden, der Caitlyn ihren Platz in seinem Herzen streitig machte. Eifersüchtig starrte sie Grant an.
“Soll das also heißen, dass du dich irgendwie Keiths Sohn gegenüber verpflichtet fühlst?”, fragte sie gereizt.
“Vertragsmäßig bin ich niemandem gegenüber zu etwas verpflichtet. Aber wenn du bedenkst, dass Grant freiwillig zu mir kam und all die Jahre dafür geschuftet hat, dass diese Firma nicht bankrott geht, dann muss ich zugeben, dass ich in seiner Schuld stehe”, erwiderte Paddy schlicht.
Caitlyn weigerte sich, auf den vorwurfsvollen Ton in seiner Stimme zu reagieren. So fabelhaft Paddy die ganze Sache auch hinstellen mochte, irgendetwas kam ihr daran seltsam vor. Bevor man ihr das Gegenteil beweisen konnte, würde Grant ihr verdächtig erscheinen. Und so hatte sie noch einen Grund hierzubleiben.
“Lass mich mal zusammenfassen”, sagte sie scheinbar gelassen. “Du gibst dir also die Schuld an einem Unfall, verbringst Jahre damit, dem jungen Mann mit dem blutenden Herzen aus purem Mitleid alles beizubringen, was er über das Ölgeschäft wissen muss. Und dann kannst du deiner einzigen Tochter nicht einmal eine Chance geben, sich hier ihren Lebensunterhalt zu verdienen?”
Paddy war es nicht gewohnt, dass man seine Entscheidungen infrage stellte. “Es geschah nicht aus Mitleid”, sagte er verärgert. “Grant hat mir seitdem unzählige Male bewiesen, dass es richtig war, ihn zu übernehmen.”
Trotz der Wut, die Caitlyns Worte in ihm geweckt hatten, musste Grant einsehen, dass ihre Frage nur fair war. Wenn er an damals zurückdachte, konnte er sich nicht vorstellen, dass jemand bemitleidenswerter hätte sein können als er an jenem Tag, als er darum gebeten hatte, jenen Beruf zu erlernen, der seinen Vater das Leben gekostet hatte. Jahrelang hatte er in Paddy den Schuldigen am Tod seines Vaters gesehen, und er hatte sich zusammenreißen müssen, um ihm nicht an die Gurgel zu gehen. Niemals hätte er sich vorgestellt, dass er diesen Mann ins Herz schließen könnte. Aber irgendwie brachte Paddy es fertig, Grant auf seine warmherzige Art an sich zu binden und ihm dabei nie das Gefühl zu geben, dass er seinen Vater verriet oder seine Selbstachtung preisgab.
“Wenn Sie versuchen, ein Preisschild an das zu hängen, was man mir schuldet”, brachte er finster hervor, “werden Sie zuerst herausfinden müssen, wie viel man für einen Vater veranschlagt.”
Caitlyn hielt schockiert den Atem an. Kein Geld auf der ganzen Welt könnte einen Vater ersetzen, dachte sie entsetzt. So schwierig es auch gewesen war, mit geschiedenen Eltern aufzuwachsen, liebte Caitlyn doch beide von ganzem Herzen und konnte sich ein Leben ohne einen von ihnen nicht vorstellen.
Zum ersten Mal seit sie diesen Mann kannte, empfand sie Mitleid für ihn. Er mochte jetzt zwar so unerschütterlich wie ein römischer Gladiator aussehen, aber er musste noch ein Teenager gewesen sein, als seine Familie von dieser Tragödie betroffen wurde. Sie stellte sich einen hübschen dunkelhaarigen Jungen vor, der plötzlich der einzige Halt für seine untröstliche Mutter war. Soweit Caitlyn begriffen hatte, hatte allein der Gedanke, Paddy auf eine so entsetzliche Art zu verlieren, genügt, um ihre Mutter dazu zu bringen, ihre einzige große Liebe zu verlassen. Laura Leigh wollte nicht wie die arme Cissy Davis so jung Witwe werden, und so hatte sie kurz darauf ihre Koffer gepackt und war zu ihren Eltern nach San Antonio zurückgekehrt.
Caitlyn biss sich nervös auf die Unterlippe. “So habe ich das nicht gemeint. Ich fühle mich nur verpflichtet, mich für die Interessen meines Vaters einzusetzen. Es ist sehr seltsam, dass er Sie kein einziges Mal mir gegenüber erwähnt hat.”
“Sosehr ich deine Besorgnis zu schätzen weiß, mein Liebling”, warf Paddy mit einem schiefen Lächeln ein, “ich bin ein erwachsener Mann und treffe meine Entscheidungen selbst. Vielleicht hielt ich es damals nicht für notwendig, dir meine Motive zu erklären. Ebenso wenig wie jetzt.” Er fuhr sich mit der Hand durch das Haar. “Das Gespräch ist beendet. Das Einzige, was jetzt noch entschieden werden muss, ist, was ich mit dir anfangen soll, junge Dame.”
Caitlyn kämpfte gegen die Tränen an und presste auf die gleiche bockige Art die Zähne zusammen wie ihr Vater es in brenzligen Situationen tat. Sie war nicht
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