Verführerische Unschuld
flehendem Ton in der Stimme. “Eine Bohrstelle ist kein Ort für ein hübsches Mädchen wie dich. Ich wollte, dass du studierst, damit du nie harte körperliche Arbeit zu tun brauchst. So wie deine Großmutter, Gott hab sie selig, die eine arme Putzfrau war und sich die Finger wund gearbeitet und jeden ihrer hart verdienten Pennies gespart hatte, um ihre Söhne nach Amerika zu schicken, damit sie ein besseres Leben haben. Und deswegen habe ich dich studieren lassen – für ein besseres Leben.”
Er nahm ihre sorgfältig manikürten Hände zärtlich in seine. “Hände wie diese sind für ein Labor geschaffen und für Diamantringe, und später sollen sie meine Enkelkinder halten. Sie sollen nicht mit einem Haufen rauer Männer an einem gottverlassenen Ort wie diesem im Dreck herumwühlen.”
Die Zärtlichkeit, die die Worte ihres Vaters zuerst in Caitlyn erweckten, verschwand sofort, als ihr klar wurde, dass er glaubte, sie könnte nicht selbst auf sich achtgeben. Sie hatte das Gefühl, ihr ganzes Leben lang nichts anderes getan zu haben, als die Menschen davon zu überzeugen, wozu sie tatsächlich fähig war. Leider schien ihr Diplom als Argument nicht auszureichen. Also musste sie einen anderen Weg wählen, um an ihr Ziel zu kommen.
“Ich weiß deine Besorgnis zu schätzen, aber was ich wirklich brauche, ist ein Job, keine Behandlung mit Samthandschuhen. Der Markt ist nicht gerade günstig für frisch graduierte College-Absolventen. Wenn ich einen guten Job ergattern will, muss ich Erfahrung sammeln. Und da ist es das Günstigste, wenn ich von Anfang an mit den Besten zusammenarbeite. Deswegen bin ich zu dir gekommen.”
Grant sah sofort, dass Paddy nahe daran war, nachzugeben. So viel musste er ihr lassen – sie wusste, wie man ihren alten Herrn um den Finger wickelte.
Paddy fuhr sich mit der Hand durch das immer noch dichte, aber graue Haar. “Na ja, wenn du es so siehst …”
“Und vergiss nicht den finanziellen Vorteil, den es für die Firma bedeutet. Du wirst niemanden finden, der billiger ist als ich.”
Caitlyns Lächeln ließ Paddys letzten Widerstand schmelzen. Grant wusste, dass er schnell handeln musste.
“Und vergiss bitte auch nicht”, warf er kühl ein, “dass ich es bin, der die Leute einstellt. Und zur Zeit bin ich nicht bereit, eine halbe Portion wie Caitlyn anzuheuern.”
“Na, na”, sagte Paddy und nahm noch einen Schluck von seinem Bier. “Lass uns nicht so hastig sein, mein Sohn.”
Caitlyn hielt die Luft an. Wie konnte ihr Vater das Wort “Sohn” auf so einen arroganten Blödmann anwenden! Insgeheim hatte sie immer befürchtet, dass Paddy sich eigentlich einen Sohn gewünscht hatte, der an seiner Seite arbeiten könnte und auf den er stolz sein würde. Ihr ganzes Leben lang hatte Caitlyn versucht, Paddy für ihr Geschlecht zu entschädigen, indem sie in allem, was sie tat, das Beste gab. Sie bezweifelte, ob er ihrer Mutter die Vormundschaft über sie zugebilligt hätte, wenn sie ein Junge gewesen wäre.
“Wie können Sie es wagen, meinem Vater vorschreiben zu wollen, wie er seine Firma führen soll?”, fuhr sie Grant an. “Wenn ich an seiner Stelle wäre, hätte ich Sie schon längst wegen Ihrer Unverschämtheit davongejagt.”
Grant, der immer noch stand, sah von seiner bemerkenswerten Größe spöttisch auf sie herab. “Ich wage es, weil ich nicht einfach ein Lakai bin, den Sie nach Lust und Laune herumschubsen können. Ob Sie es nun wollen oder nicht, ich bin die rechte Hand Ihres Daddys, und für mich steht genauso viel auf dem Spiel wie für ihn.”
3. KAPITEL
Caitlyn stand so ungestüm auf, dass ihr Stuhl zu Boden fiel.
“Ist ‘die rechte Hand’ Ihr offizieller Titel oder nur die vornehme Art zu sagen, dass Sie sich einen Weg in das Herz eines Mannes erschlichen haben, der viel zu gutmütig ist?” Sie streckte sich, so sehr sie konnte, um den Größenunterschied auszugleichen. “Seien Sie versichert, Mister, dass ich nicht tatenlos zusehen werde, wie Sie alles zerstören, was mein Vater im Laufe eines ganzen Lebens aufgebaut hat.”
“Caitlyn, hör sofort auf, bevor du dich noch mehr zum Narren machst!” Paddys Stimme wirkte wie ein Peitschenhieb.
Caitlyns Augen füllten sich mit Tränen der Demütigung. Ihr Vater erhob ihr gegenüber nur sehr selten die Stimme. Und dass er sie jetzt ausgerechnet vor diesem fürchterlichen Kerl ermahnte, war mehr, als sie ertragen konnte.
“Wie kannst du einfach dasitzen und deinem Angestellten erlauben, mich
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